4.167 Meter

Wir haben es geschafft.
Innerhalb von 24 Stunden sind wir 2.500 Meter aufgestiegen, haben eine Nacht auf dem Berg verbracht und sind wieder 2.500 Meter abgestiegen. Mount Toubkal, der höchste Berg Nordafrikas, ist damit nicht nur mein erster Berg über 4.000 Meter, sondern auch mein grundsätzlich erster Berg, auf welchen ich gewandert bin.
Doch erstmal zurück an den Anfang.

Als ich Dennis kennengelernt habe, wusste ich noch fast gar nichts über den Mount Toubkal. Ich hatte schon einmal davon gehört, aber nicht geplant, ihn zu besuchen. Innerhalb von zwei Tagen hat sich das dann komplett geändert und plötzlich waren wir beide davon überzeugt, diese Wanderung antreten zu wollen. Am Mittwoch morgen sind wir also aufgebrochen nach Marrakech, um von dort einen Bus nach Imlil zu finden. Imlil ist eine kleine Stadt, welche genau am Anfang des Atlas-Gebirges liegt, von welcher die meisten Wanderungen zum Mount Toubkal starten. Der Plan war es, dort eine Nacht zu bleiben um am nächsten Tag ausgeruht die erste Etappe anzugehen. Nur leider hatte das Busunternehmen andere Pläne, denn der letzte Bus Richtung Imlil war bereits abgefahren. Dazu muss man sagen, ein richtiges Busunternehmen, welches in Richtung Imlil fährt, gibt es nicht. Die Taxis sind relativ teuer (jedenfalls wurde uns das so erzählt) und das einzige „Busunternehmen“, das nach Imlil fährt, ist eine private Organisation mit Bussen, die gerade eben so als Bus klassifiziert werden können. Und so kam es, dass wir nach einer Nacht in Marrakech uns in einem VW Bulli T1 wiederfanden, in welchen ganze 18 Sitze gequetscht wurden. Unser Gepäck wurde handfest auf dem Dach festgeschnallt und wir quetschten uns in die Sitze. Die Beinfreiheit war, wie man sich vielleicht vorstellen kann, nicht vorhanden. Ich untertreibe nicht, wenn ich sage, dass zwischen den Sitzen nicht mehr als 20 cm Platz gewesen sein kann. Im Laufe der Fahrt stiegen dann immer mehr Personen zu, sodass zum Höchstzeitpunkt auf 18 Sitze ganze 24 Personen kamen, von welchen sich der Rest dann im schmalen Mittelgang festhalten durfte.


Nach ca. 1,5 Stunden Fahrt pausierten wir dann in Asni – das letzte Dorf vor Imlil. Denn hier sollte darauf gewartet werden, dass genug Menschen nach Imlil fahren wollen, damit sich die Fahrt auch lohnt. Klein wie Imlil nunmal ist, waren Dennis und Ich leider die einzigen mit diesem Plan. Wir haben uns mit einem der Mitarbeiter von dem Busunternehmen zusammen an einen Kiosk gesetzt und Tee getrunken und auf mehr Mitfahrer gewartet. Nach kurzer Zeit stellte sich dann nur leider raus, dass wir vielleicht ein bisschen besser hätten recherchieren sollen. Seit einiger Zeit ist der Aufstieg auf unseren Gipfel nämlich nur noch mit einem lokalen Guide erlaubt. Auf dem Weg befinden sich mehrer Militärcheckpoints, an welchen die Reisepassdaten aufgenommen und das Vorhandensein eines Guides kontrolliert werden. Dazu erfuhren wir, dass nach 15 Uhr niemand mehr auf den Berg gelassen wird, aus Sicherheitsgründen.
Gezwungenermaßen gingen wir also den Deal ein, dass wir etwas auf den sowieso schon überteuerten Guide draufzahlen, damit wir erst mit einem Taxi und danach mit einem Privatwagen möglichst nah an den Militärcheckpoint gebracht werden. Und so kam es auch. Ein paar beunruhigend schmale Straßen und 30 Minuten wandern später waren wir da – um 14:56 Uhr. Wir wurden durchgelassen und machten uns somit auf den Weg, zum Refuge. Das Refuge ist ein Gebäudekomplex für alle Wanderer, die eine Nacht in Gipfelhöhe schlafen wollen, um am nächsten Tag früh aufbrechen zu können. Dadurch, dass es die einzige Übernachtungsmöglichkeit ist, sind die Preise natürlich auch etwas höher, als man es hier aus den Städten gewohnt ist.
Der Weg zu dem Refuge war erstaunlich schön. Es ging vorbei an Flüssen und Wasserfällen, über eine Brücke, vorbei an kleinen Cafés und Wasserquellen, über Sand- und Steinwege, begleitet von Eseln und Pferden, welche entweder Gepäck und „Wanderer“ nach oben schleppten, oder nach unten begleiteten. Dadurch, dass es doch eher regelmäßig diese kleinen Häuser mit anliegenden Bänken zu erholen gab, war der erste Teil der Wanderung noch wirklich in Ordnung. Dadurch, dass wir eher spät gestartet sind, war es natürlich sehr warm und wir waren gut durchgeschwitzt, als wir uns dem Refuge näherten. Auf dem Weg haben wir schon herausgefunden, dass unser Guide nicht genug Englisch spricht, um uns irgendwelche Fragen zu dem Berg beantworten zu können, was eigentlich total schade war. Nur leider war er unsere einzige Option gewesen, noch an diesem Tag den Aufstieg zu beginnen.

Begonnen haben wir ungefähr hier, auf 1900 Meter Höhe:

Angekommen am Refuge sah es dann so aus, hier waren wir schon auf 3150 Meter Höhe:

Am ersten Tag sind wir 8,3 Kilometer gelaufen, haben 1239 Höhenmeter geschafft und waren ca. 3,5 Stunden unterwegs. Wie wir schon merkten, war unser Guide wirklich schnell und hatte auch kein Problem damit, etwas vor zu laufen, wenn ihm einer von uns zu langsam war. Entsprechend waren wir auch gut fertig, als wir endlich im Refuge saßen. Da ich noch immer auf einer Weltreise bin und nicht auf Wandertour, durfte ich natürlich auch meinen ganzen Rucksack mitschleppen, in welchem nicht unbedingt nur die nötigsten Dinge für einen Berg sind. Egal, die Etappe war geschafft, wir konnten in Ruhe zu Abend essen und andere Wanderer kennenlernen, bevor wir bald ins Bett gingen um noch möglichst viel Schlaf zu bekommen. Denn der nächste Tag sollte nochmal auf einem ganz anderen Nivau schwer werden, als der erste.
Auf 3150 Meter hatte natürlich auch die Temperatur etwas abgenommen. Während in Marrakech gerade ca. 35° waren, hatten wir kuschelige 15°. Ein komisches Gefühl, in Afrika im Sommer in langer Hose und Hoodie draußen sitzen zu müssen.

03:20 Uhr. Der Wecker klingelt. Noch ein Wecker klingelt. „Warte, ist das überhaupt mein Wecker?“ Zwei weitere Wecker machen sich bemerkbar. Ich öffne die Augen und sehe, wie 15 verschiedene Wanderer teilweise schon dabei sind, sich anzuziehen, andere noch schlafen und wieder andere, mich eingeschlossen, hektisch versuchen den Wecker auszustellen.
Insgesamt befanden sich in dem Refuge in der Nacht über 50 Personen, welche alle zum Sonnenaufgang auf den Gipfel wollten. Noch müde und verschlafen von der Nacht, welche durch Eselschreie, schnarchen und andere schlaflose Wanderer geprägt war, erkämpften wir uns einen Platz am Frühstückstisch und beeilten uns, noch etwas essen zu können, bevor der Anstieg starten sollte. Die letzten Sachen wurden gepackt und um kurz nach 4 trafen wir uns draußen vor der Tür mit unserem Guide. Dick eingepackt machten wir uns also auf den Weg, ausgestattet mit Müsliriegeln, Alltagskleidung und einer Handytaschenlampe. Gut, jedenfalls war das bei mir der Fall. Dennis Hauptgrund, nach Marokko zu fliegen, war tatsächlich genau diese Wanderung. Dementsprechend war er auch etwas besser vorbereitet als ich und ich konnte sogar noch einen Fleece-Hoodie von ihm ausleihen. Die Strecke fing direkt viel steiler an, als die vom Vortag. Heute wollen wir noch einmal 1000 Höhenmeter aufsteigen, nur diesmal auf einer deutlich kürzeren Strecke. Der Gipfel war nur etwas über drei Kilometer von dem Refuge entfernt, aber durch den steilen Anstieg war es natürlich trotzdem eine Herausforderung.
Im stockdunkeln ging es also vorwärts, vorbei an anderen Wanderern, da unser Guide wieder ein ordentliches Tempo draufhatte, wofür ich diesmal jedoch sogar ganz dankbar war. Denn nach ungefähr 2,5 Stunden laufen näherten wir uns unserem Ziel und konnten schon die ersten Zeichen des Sonnenaufgangs sehen. Kurz vor dem Ziel war es dann hell genug, um die Taschenlampen auszuschalten und um ziemlich genau sieben Uhr morgens hatten wir es geschafft:

Wir waren auf dem Gipfel des Mount Toubkal. Und es war kalt. Sehr. Kalt.
Dadurch, dass wir alle Kleidung die wir finden konnten bereits zum Start des Morgens angezogen hatten, waren wir relativ schnell verschwitzt. Je höher wir kamen, desto niedriger sank die Temperatur und so hatten wir auf dem Gipfel ganze 2°. Dazu kam noch der Wind, welcher die Temperatur nicht gerade angenehmer machte. Weit über der Kälte und Erschöpfung stand aber die Freude: ab jetzt ging es nur noch abwärts! Und das beste hatte gerade noch so auf uns gewartet. Denn kurz, nachdem wir oben angekommen waren, tauchte die Sonne hinter den Bergen auf.
Ich weiß, ich habe das hier schon das ein oder andere Mal geschrieben und ich war auch nicht der einzige, der diesen Gedanken hatte, denn oben auf dem Gipfel fiel unter den Wanderen immer wieder ein Satz, zwar auf verschiedensten Sprachen aber doch im Gedanken gleich:

Das ist der schönste Sonnenaufgang, den ich jemals gesehen habe. Vielleicht sogar das schönste, was ich überhaupt jemals in der Natur gesehen habe.

Kein Bild kann dem gerecht werden, was wir dort oben gesehen haben, aber natürlich habe ich trotzdem versucht es festzuhalten.

Auch etwas später, als die Berge hinter uns begannen, zu leuchten und wir erkannten, dass wir weit über den Wolken standen, war ich genauso sprachlos wie vorher.

Leider zwang uns die Kälte und die Zeit, nach ungefähr einer halben Stunde schon wieder den Abstieg zu beginnen. Ich hätte auch den ganzen Tag dort oben sitzen bleiben können, aber ich wusste ja, dass es sowieso nicht mehr besser werden würde als das, also machten wir uns wieder auf den Weg.
Der Abstieg zum Refuge war tatsächlich deutlich unangenehmer als ich es mir erhofft hatte. Alle paar Meter bin ich abgerutscht und sogar einmal hingefallen, da der Weg voll mit losen Steinen und dementsprechend rutschig war. Nachdem der Guide uns wieder einmal allein gelassen hatte und im Refuge auf uns wartete, schafften wir den Weg früher oder später auch und waren somit um 09:30 Uhr wieder zurück bei unseren Rucksäcken. Eine halbe Stunde später ging es weiter in Richtung Dorf, wir hatten also keine richtige Chance auf eine Pause, da wir auch noch unsere Sachen zusammenpacken mussten. Der Abstieg war dann eigentlich sogar das härteste an der ganzen Wanderung. Insgesamt ging es knapp 2.500 Höhenmeter abwärts, dementsprechend kaputt waren auch meine Knie als wir unten im Dorf ankamen. Unser Guide führte uns noch zur Bushaltestelle, bevor er sich dann verabschiedete. Natürlich wollte er auch noch Trinkgeld (wofür auch immer) aber das hatten wir bereits erwartet. Zu unserer Überraschung wurden wir dann in Imlil direkt an ein Taxi vermittelt, mit welchem wir günstiger nach Marrakech kamen, als wir mit dem Bus für die Hinfahrt gezahlt. So ging es also nach über 40.000 Schritten und über 10 Stunden Wandern im Taxi ohne Klimaanlage zurück zu unserem Hostel. Auf der Fahrt sind wir beide gleich eingeschlafen und auch abends im Hostel haben wir nicht mehr viel anderes geschafft als etwas zu essen und ins Bett zu fallen.

Abschließend war diese Wanderung eine unglaubliche Erfahrung und ich bin wirklich froh, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Heute sitze ich im Hostel und kann nicht mehr ordentlich laufen, da ich in meinen Waden einen Muskelkater habe, der mich noch einige Tage verfolgen wird. Vor allem Treppen runter gehen ist sehr unangenehm und kostet immer einige Zeit aber das war es wohl wert.
Wir sind am Donnerstag um 14:25 Uhr an der Straße gestartet, von wo aus uns der Weg zum Gipfel führte. Am Freitag waren wir um 14:10 Uhr wieder an dem exakt selben Punkt und hatten somit die ganze Wanderung inklusive Übernachtung in weniger als 24 Stunden geschafft. Auch wenn ich jetzt erstmal eine Pause brauche, freue ich mich schon auf den nächsten Berg, welcher das auch sein sollte.

Natürlich habe ich auch einiges an Videos aufgenommen, wenn ich das fertig zusammengesetzt habe, lade ich es auf YouTube hoch und füge den Link hier ein! 🙂

Doch erstmal muss ich wieder vorwarnen, denn genau wie letztes Mal werde ich ein paar Tage nichts schreiben können. Morgen früh um 07:30 Uhr geht die Reise nämlich schon weiter mit dem nächsten Abenteuer; denn diesmal geht es für drei Tage in die Sahara. Wünscht mir Glück, dass ich nicht zur schnell schmelze und erstmal:

Bis dahin!