Auf zu neuen Ufern!
Am zweiten Oktober war es soweit: Wir haben die Nordinsel verlassen. Nach fast vier Monaten, die wir dort verbracht haben, haben wir alles gesehen und erledigt, was wir wollten und in dieser Zeit erreichen wollten. Wir haben neue Freunde kennengelernt, waren in tiefen Höhlen klettern, im weiten Ozean schwimmen, haben uns berühmte Drehorte angesehen und haben natürlich auch die eine oder andere Wanderung hinter uns gebracht. Obwohl wir mit der Fähre keine Ländergrenze überschritten haben, hat es sich für mich ein bisschen so angefühlt, als würden wir in ein neues Land fahren.
Aber erstmal von vorne: In Wellington haben wir die letzte große Mission erfolgreich abgeschlossen, indem Thies es geschafft hat seinen Reisepass in der Botschaft zu beantragen. Danach hielt uns nichts mehr auf der Nordinsel und gleichzeitig lief uns langsam die Zeit für die Südinsel weg. Immerhin haben wir für die größere der beiden Inseln nur die Hälfte der Zeit! Auch wenn die Zeitaufteilung eine bewusste Entscheidung war, immerhin ist es auf der Südinsel nochmal deutlich kälter, vor allem im Winter, hat mich der recht enge Zeitplan langsam gestresst. Deshalb haben wir für den zweiten Oktober eine Autofähre auf die Südinsel gebucht. Wir haben schon von Janneke und David (unsere Freunde aus Auckland) gehört, dass die Fahrt sehr schön sein soll, weshalb wir extra die Fähre gebucht haben, die am frühen Morgen losfährt.
Dafür haben wir uns auf dem Campingplatz in Wellington früh den Wecker gestellt. Noch vor dem Sonnenaufgang klingelten uns unsere Handys um kurz nach sechs aus dem Schlaf. Wir sind schnell mit einem kleinen Frühstück und dem Abbau des Bettes fertig geworden und konnten nochmal den wunderschönen Sonnenuntergang beobachten, der über der Hauptstadt aufging. Es hat sich angefühlt, als wolle die Nordinsel uns in den strahlendsten Farben verabschieden. Wie bei jedem Neuanfang bin ich mit gemischten Gefühlen in unser Auto gestiegen, als es um sieben dann Zeit war zum Fähranleger zu fahren. Ziemlich schnell hat dann die Aufregung gesiegt, es liegt noch so viel Tolles vor uns!

Eine Stunde später standen wir auf dem großen Parkplatz der Fährgesellschaft und warteten darauf, dass es endlich weitergehen würde. Endlich bewegte sich in den vorderen Reihen etwas und nach einigen weiteren Minuten konnten auch wir endlich losfahren. In einer langen Schlange ging es dann über eine kleine Brücke in den Schiffsbauch hinein, was eine sehr lustige Erfahrung war, obwohl ich schon vorher mal mit meiner Familie auf einer Autofähre mitgefahren bin. Irgendwie fühlt es sich trotzdem etwas absurd an auf einer Straße zu fahren, die sich in einem Schiff befindet!

Wir haben unser Auto abgestellt, haben uns unsere dicken Jacken sowie etwas Proviant geschnappt und sind dann bis nach ganz oben auf das oberste Deck gelaufen. Von dort konnten wir beobachten, wie das Schiff um neun Uhr ablegte und sich langsam vom Hafen entfernte.

Am Anfang haben wir noch zurück nach Wellington geguckt, aber schon bald war spannender, was vor uns lag. In der südlichen Spitze der Nordinsel liegt eine große Bucht, die sich tief in das Land hinein gräbt. Wellington liegt auf der linken Seite dieser Bucht und umschließt die linke der Seite der Bucht ungefähr mit der Form eines „C“s. Wir haben auf dem unteren Ende des Cs abgelegt und mussten deshalb noch um die kleine Landzunge herum fahren, die zwischen uns und der Cookstraße lag. Die Cookstraße (oder „Te Moana-o-Raukawa“ auf Māori) ist die Meerenge, die die Nord- von der Südinsel Neuseelands trennt. Die Überfahrt von Wellington bis zu der kleinen Hafenstadt namens Picton auf der Südinsel dauert etwa 3.5 Stunden, wir hatten also viel Zeit. Die erste halbe Stunde haben wir oben auf dem Aussichtsdeck verbracht und haben verfolgt, wie das Schiff um die kleine Landzunge herum navigierte, bis die Hauptstadt Neuseelands hinter der Ecke verschwand und wir nur noch die Klippen der südlichsten Spitzen der Nordinsel sehen konnten.
Als wir die Nordinsel langsam hinter uns ließen, haben wir unsere Plätze verlassen und haben angefangen das restliche Schiff zu erkunden. Es gab mehrere Etagen zu entdecken und nach einer ausführlichen Entdeckungstour (ganz unten gab es sogar ein Kino!) haben wir uns eine kleine Bank mit Blick durch eine große Glasfront auf das Meer vor uns gesichert. Dort haben wir dann den Großteil der Fahrt verbracht und unser Frühstück gegessen.

Irgendwann hat Thies mich dann auf etwas aufmerksam gemacht: Berge! In der Ferne konnte wir verschwommen die ersten Berggipfel erkennen und damit auch den ersten Blick auf die Südinsel werfen. Für uns war das ein Zeichen unseren gemütlichen, warmen Platz zu verlassen und wieder nach oben auf das offene Aussichtsdeck zu gehen. Leider waren die Wolken über der Südinsel zugezogen, deshalb war das Licht etwas düster. Zum Glück hat es jedoch nicht geregnet und wir konnten genau mit ansehen, als wir zwischen zwei Landzungen hindurch fuhren und uns dann in einem engen Fjord befanden. Durch diesen Fjord muss jedes Schiff fahren, wenn es von Wellington nach Picton fahren möchte, denn der Norden der Südinsel besteht aus vielen kleinen Inseln und Halbinseln, wo keine großen Schiffe anlegen und keine großen Straßen hinführen können. Deshalb fahren alle Schiffe noch ein ganzes Stück zwischen den grünen Inseln und Landzungen hindurch, bis man die von kleinen Meeresarmen durchzogene Landschaft in Picton größtenteils hinter sich gelassen hat. Dort beginnt die große Landfläche der Südinsel. Bis dahin hatten wir jedoch noch eine ganze Weile Zeit, denn der schmale Fjord zieht sich noch über etwa eine Stunde Bootsfahrt. Die ersten Felsen, an denen wir vorbei gefahren sind, waren noch relativ karg, aber je näher wir dem Festland kamen, desto grüner und bewachsener wurden die Inseln. Schon bald haben wir dichte Wälder gesehen, die sich hinter den vielen geschwungenen Buchten und Stränden erstreckten.

Nach einer Weile tauchten neben uns Netze von Fischern auf und nur wenig später haben wir auch schon die ersten Boote gesehen. Dann mussten wir noch ein letztes Mal links abbiegen und schon haben wir die erste Stadt der Südinsel vor uns gesehen: Picton! Das kleine Fischerdorf wirkt viel zu klein für die großen Schiffe und Menschenmassen, die täglich von dort abfahren oder ankommen. Die Häuser liegen hauptsächlich im Tal und nehmen nur ein kleines Stück der dahinter ansteigenden Berge ein. Dafür ist der kleine Hafen der Stadt gut gefüllt, es wirkt fast so als hätte jeder dort lebende Mensch ein eigenes Boot. Allzu lange konnten wir die Stadt jedoch nicht von dem Schiffsdeck aus betrachten, denn für uns war es Zeit dieses mit unserem Auto wieder zu verlassen.

Wir sind also wieder eingestiegen und über die komische Straße, die sich in einem Schiff befindet, über eine Rampe auf die Südinsel gerollt. Unser Auto kannte genau diese Stelle bestimmt schon, aber für uns beide war es ein sehr besonderer Augenblick. Denn auch wenn wir theoretisch noch wieder zurück konnten, wussten wir doch, dass wir die Nordinsel (wenn alles nach Plan laufen würde) nicht mehr so schnell wiedersehen würden. So eine lange Fährfahrt kann man eben nicht so spontan bestreiten, wie man sonst mit dem Auto von einer Stadt in die nächste fahren könnte. Größtenteils habe ich mich aber sehr gefreut endlich die Südinsel entdecken zu können, über die wir schon so viel gutes gehört hatten. Auf ebendieser Südinsel haben wir zuerst mal einen Parkplatz am Wasser angesteuert, um unsere weitere Reiseroute zu planen. Wir hatten uns zwar schon ein paar Gedanken gemacht, aber noch nichts fest entschieden. Davor konnten wir uns jetzt jedoch nicht mehr drücken… Am Wasser angekommen haben wir den neuen Reiseabschnitt erstmal mit zwei Mini-Quiches gefeiert, bevor wir uns an die Arbeit gemacht haben und uns überlegt haben, welche Wege für die nächsten zwei Monate am sinnvollsten wären.
Am ersten Abend sind wir von Picton noch eine halbe Stunde südlich nach Blenheim gefahren. Über die Stadt habe ich nicht viel zu sagen, außer dass es dort den ersten kostenlosen Stellplatz in der Nähe von Picton gab. Mit dem vielen Wind, dem frühen Aufstehen und den Aufregungen der neuen Etappe waren wir ziemlich müde und sind abends einfach nur noch ins Bett gefallen.
Am nächsten Morgen ging es schon direkt weiter, jedoch in die andere Richtung. Denn nachdem wir die Pläne von gestern nochmal neu überdacht haben, mussten wir sie leider über Bord schmeißen und nochmal neu überlegen. Der neue Plan war also: nicht die Ostküste nach Süden fahren, sondern erstmal die Westküste. Dafür sind wir erstmal nach Nelson (bzw die Nachbarstadt Richmond) gefahren. Auf der kurvigen Küstenstraße haben wir mehrmals angehalten, damit Thies im Beifahrersitz nicht zu übel wird. Man sollte meinen er ist die kurvigen Straßen mittlerweile gewohnt, aber das ist offenbar nicht der Fall… In so einer schönen Gegend ist das Anhalten aber sowieso sehr zu empfehlen, wir haben also ohnehin schon viele Möglichkeiten genutzt, um die Buchten und Fjorde zu fotografieren. Dafür haben wir auch noch einen kleinen Wanderweg gemacht, der direkt an der Straße anfing und dann auf einer Landzunge ein kleines Stück in eine der vielen Buchten hineinführte. Wirklich eine sehr hübsche Gegend!

In Nelson/Richmond waren wir insgesamt zwei Tage, in denen wir wegen des Wetters gar nicht so viel gesehen haben. Ich war an einem Nachmittag am Pier laufen und habe dabei die schöne Aussicht genossen. Direkt am Wasser ging neben der Straße ein langer, recht gerader Fußweg entlang, der sich wirklich hervorragend zum Joggen geeignet hat. Auf der einen Seite war das Meer, mit ein paar kleinen Inseln und Felsen und auf der anderen Seite die Hügel. Nelson ist schon hübsch, auch wenn es sich nicht besonders von den meisten anderen Küstenstädten Neuseelands unterscheidet.
Am nächsten Morgen sind wir zum „Centre of New Zealand“ gelaufen. Das Denkmal mit diesem Namen befindet sich auf einem kleinen Hügel im Norden von Nelson. Etwa eine halbe Stunde lang läuft man auf Sandwegen den kleinen Hügel hinauf, bis man oben auf einer Aussichtsplattform endet. Auch bei diesem kleinen Walk hat es leider geregnet, deshalb war die Sicht von dort nicht besonders weit. Trotzdem ist es natürlich sehr cool, diesen Ort zu besuchen. Er bildet zwar nicht die echte Mitte von Neuseeland (die befindet sich etwa 50km südlich), aber auf diesem Hügel wurden in den 1870ern die ersten trigonometrischen Messungen durchgeführt. Mit den damaligen Mitteln war Nelson, genauer gesagt dieser Hügel, als Ausgangspunkt dafür gar nicht schlecht!

Im leichten Nieselregen haben wir die (Nicht-) Mitte Neuseelands also wieder verlassen und haben uns in die Trockenheit des Autos begeben. Bei einem Blick auf die Wettervorhersagen für die nächsten Tage wurde uns klar, dass es auch in den nächsten Tagen nicht besser werden würde. Mit Ausnahme von einem bestimmten Tag, was mich sehr glücklich gemacht hat. Denn für genau diesen Tag hatten wir einen Plan… Doch dazu mehr im nächsten Artikel 🙂
Aaah, immer diese Cliffhanger…
Es ist einfach toll, dass Ihr Euch so viel Zeit auf der Nordinsel gelassen habt, aber die Zeit war auch reif für einen weiteren Aufbruch zu neuen Ufern. Diese erinnern mich extrem an Norwegen, sind aber ein heftiges Stück weiter weg. Und alleine dadurch schon großartiger 🙂🙂🙂.
Ich bin gespannt auf die nächsten Artikel!!