Chaos in Laos

Auch wenn ich total dankbar bin diese Reise machen zu können und (fast) jeden Tag geniesse, gibt es doch auch negative Seiten dieser Art zu leben. Eine besonders unschöne Seite haben wir in unserer Zeit in Laos kennengelernt. In Luang Prabang wollten wir eigentlich einen Roller mieten und damit Tagestouren zu einem Wasserfall und anderen Attraktionen machen. Das wurde nur leider alles nichts, weil ich spontan krank geworden bin. Ich vermute, dass ich das Frühstück des Hostels nicht vertragen habe und es mir deshalb so schlecht ging. An diesem Beispiel merkt man wirklich gut, dass Laos nicht so weit entwickelt ist wie Thailand oder Malaysia. In den beiden Ländern hatten wir keine Probleme mit dem Essen, obwohl wir auch gerne an Strassenständen und kleinen Märkten gegessen haben. In Laos müssen wir uns offenbar deutlich mehr zurückhalten, das haben wir auf die harte Tour gelernt.

Ich lag den ganzen Tag flach und habe nur darauf gewartet, dass es besser wird. Nachdem ich mir das Essen nochmal durch den Kopf habe gehen lassen, wurde es zum Glück langsam besser. Am nächsten Tag habe ich mich noch zittrig gefühlt, aber gut genug um weiter zu Reisen. Ohne viel von der Umgebung gesehen zu haben mussten wir auch schon weiter, immerhin haben wir in Laos nur 30 Tage Zeit und können es deshalb nicht so entspannt angehen wie bisher.

Mit dem Zug ging es nach Vientiane, die Hauptstadt von Laos. Um in den Bahnhof zu kommen mussten wir durch eine Sicherheitsschleuse gehen, wie im Flughafen! Dabei musste Thies leider seinen Göffel (Gabel, Löffel und Messer in einem) abgeben, den wir nur mit viel Aufwand über einen Bus wiederbekommen konnten. Die Gleise führen bis nach China und die Strecke wird auch von China betrieben, vermutlich sind die Sicherheitsvorkehrungen deshalb so hoch.

Am ersten richtigen Tag (dem 30.01.) in Vientiane hat es dann Thies getroffen. Wir sind uns nicht so sicher an welchem Essen es lag, aber auch ihm ging es gar nicht gut. Nachdem er sich früh morgens ebenfalls übergeben musste, ging es ihm nachmittags schon besser und wir wollten nur mit einem Tuktuk zu einem Einkaufszentrum fahren, um den Tag zumindest noch ein bisschen zu nutzen. Hätten wir das bloss gelassen!

Nach zehn Minuten wurde Thies auf einmal sehr still und hat mir dann zu verstehen gegeben, dass wir anhalten sollen. Ich habe den Fahrer gebeten sofort zu halten und Thies ist direkt ausgestiegen. Ich habe mich nur kurz weggedreht, um den Fahrer zu bezahlen und als ich mich wieder umgedreht hatte, lag Thies auf dem Bürgersteig im Schatten eines Hauses. Ich habe mich zu ihm gekniet und versucht herauszufinden, was passiert ist. Er hat mir gesagt, dass er im Tuktuk lange nichts sehen konnte und dass er seine Hände nicht mehr spürt. Als seine Gesichtsfarbe dann immer fahler und gelber wurde habe ich beschlossen einen Krankenwagen zu rufen.

Mit unseren Handytarifen können wir leider keine Anrufe tätigen, deshalb bin ich in das nächste Geschäft gelaufen. Die junge Verkäuferin konnte kein Englisch und war sehr verwirrt von meiner Bitte. Sie ist mit mir rausgegangen, wo Thies mittlerweile einen Krampfanfall hatte. Nach und nach sind mehr Passanten dazu gekommen, allerdings konnte niemand gut Englisch und ich hatte kein Telefonat mitbekommen. Nach einer Viertelstunde hat endlich ein Mann zu verstehen gegeben, dass er einen Krankenwagen gerufen hätte. Dann hieß es warten.

Anders als in Deutschland war der Krankenwagen nicht innerhalb weniger Minuten da. Wir haben eine weitere Viertelstunde gewartet. Und das in der Innenstadt der Landeshauptstadt!

In der Zwischenzeit ging es Thies zum Glück nach und nach besser und er war auch wieder ansprechbar. So erleichtert war ich lange nicht mehr!

Als der Krankenwagen kam haben mir die umstehenden Menschen alle Geld in die Hand gedrückt. Ich habe mich zwar schlecht gefühlt das Geld (wir haben es später gezählt und es waren insgesamt 25 Euro) anzunehmen, immerhin haben wir beide eine Krankenversicherung. Andererseits habe ich mich nicht in der Lage gefühlt das in so einer Stresssituation auf gebrochenem Englisch zu erklären. Es hat mich auf jeden Fall sehr berührt diese selbstlose Hilfsbereitschaft uns, zwei komplett Fremden, gegenüber zu sehen. Diese Menschlichkeit ist wirklich bemerkenswert.

Nun aber zum „Krankenwagen“. Das Auto war einfach nur ein Truck mit grosser umgebauter Lagefläche. Die drei Sanitäter waren kaum älter als wir und trugen braune Shirts mit Aufnähern, die mich etwas an Pfadfinder erinnnert haben. Einer von ihnen hatte einfach nur Flipflops an. Die Trage war auch etwas improvisiert und im Auto selbst lag Thies auf einer rosanenen Hello Kitty Decke. Von innen war der Krankenwagen mit Mickey Mouse Tapete ausgekleidet und ich saß unangeschnallt auf einer selbstgebauten Holzbank. Neben Thies waren einige Arztkoffer, die aussahen, als wären sie eher Kinderspielzeug als richtige Notfallkoffer. In den Kurven mussten wir die Trage mit Thies aktiv festhalten, damit sie nicht von dem kleinen Podest herunterrutschen kann.

Disney-Krankenwagen

Nach einer kurzen Fahrt sind wir im Krankenhaus angekommen.

Thies wurde von einer Liege auf eine andere verfrachtet und dann in das Gebäude geschoben. Wenn ihr ein ungefähres Bild der Inneneinrichtung haben möchtet, müsst ihr nur nach „Krankenhaus in den 60ern“ googeln. Denn genau so sah es dort aus. Der Raum war relativ groß und es standen viele Betten an den Seiten, jedes war von hellblauen Vorhängen umgeben. In der Mitte stand ein großer Tisch, an dem mehrere Ärzte und Krankenschwestern mit altmodischen Haarhauben in riesigen Ordnern herumblätterten. Offenbar ging es Thies nicht sichtbar schlecht genug, denn eine halbe Stunde lang hat sich niemand wirklich für ihn interessiert. Ich habe nur einmal seinen Namen aufgeschrieben, Thies hatte immer noch kein Gefühl in den Händen, und er hat kurz geschildert was passiert ist.

Nach langem Warten kam endlich ein Arzt zu uns. Er konnte gebrochen Englisch sprechen, hat Thies Blut abgenommen und ihm einen intravenösen Zugang gelegt. Danach hieß es wieder warten, dieses Mal auf die Ergebnisse des Bluttests. Zum Glück ging es Thies immer besser und er hat dann die meiste Zeit mit schlafen verbracht. Das ganze Krankenhaus wirkte nicht so vertrauenswürdig. Ich musste die Blutprobe selbst in ein benachbartes Gebäude abgeben, es waren viele Spinnweben an der Decke und die Toiletten waren dreckiger als die allermeisten Hostel-Toiletten.

Nach drei Stunden waren die Ergebnisse endlich da: Elektrolytemangel.

Der Arzt hat Vitamine und Calcium verschrieben, dann wurden wir einfach entlassen. Thies ging es deutlich besser, er konnte sich aufsetzen, aufstehen und auch laufen. Wir haben uns ein Taxi zum Hostel gerufen und die nächsten Tage nochmal viel Pause gemacht, damit er sich wieder erholen kann.

Einerseits war ich einfach nur erleichtert, dass es Thies besser ging. Andererseits weiß ich auch nicht, ob die Besserung an der Behandlung lag oder ob es auch „von alleine“ besser geworden wäre. Diese Unsicherheit ist wirklich schwer zu ertragen, vor allem natürlich für Thies selbst. Das Blutbild hat zwar nichts anderes ergeben, aber so eine heftige Reaktion nur von einmal Erbrechen ist schon heftig. Solange es nicht noch einmal passiert, gehen wir nicht davon aus, dass es eine andere Ursache haben könnte. Allerdings schleichen sich trotzdem manchmal besorgniserregende Gedanken ein.

60er Jahre Krankenhaus

Im Nachhinein haben wir erfahren, dass es in Laos keinen geregelten Rettungsdienst gibt. Das erklärt natürlich auch die Hilflosigkeit bei den Passanten, die alle keinen Krankenwagen gerufen haben. Ich habe zwischendurch versucht die Notrufnummer von Laos zu wählen (auf dem Handy einer anderen Frau) und daraufhin kam nur die Durchsage „Diese Nummer ist nicht vergeben“. Vermutlich hat der eine Mann, der den Krankenwagen gerufen hat, direkt beim Krankenhaus angerufen. Diese Nummer kennen die meisten Einwohner natürlich nicht auswendig. Außerdem wird so ein Krankenhausaufenthalt für die meisten viel zu teuer sein, deshalb brauchen sie diese Information natürlich auch nicht.

Im Verhältnis zu Deutschland ist das echt gruselig und ich bin unfassbar dankbar für das gute Gesundheitssystem, was wir zu Hause haben! Hier zu Reisen ist kein Problem, aber ich würde nicht langfristig hier wohnen wollen. Das Risiko für meine Gesundheit wäre mir auf Dauer einfach viel zu groß.

Edit aus Thies‘ Perspektive: Dort auf dem Bürgersteig zu liegen und so lange auf einen Krankenwagen zu warten, obwohl ich von etlichen Menschen umringt war, war wirklich kein schönes Gefühl. Auch später im Krankenhaus habe ich mich einfach etwas allein und im Stich gelassen gefühlt. Abgesehen von Beeke, denn die ist die gesamte Zeit über nicht von meiner Seite gewichen, wofür ich übrigens auch sehr dankbar bin!

Wegen diesem ungewollten Abenteuer haben wir nur leider auch von der Hauptstadt nicht so viel gesehen. Im Vergleich zu Kuala Lumpur oder Bangkok ist die Stadt aber auch wirklich winzig, wir haben zum Glück also nicht so viel verpasst!

Mit dem Bus ging es dann weiter nach Thakhek. Die Stadt liegt in der Mitte von Laos an der Grenze zu Thailand. Auch hier wurden wir wieder vom Essen etwas aufgehalten. Wir beide müssen schon wieder etwas falsches gegessen haben und mussten deshalb noch zwei Tage im Hostel bleiben.

Ich will mit diesem Artikel wirklich nicht jammern, die Krankheiten sind für die Möglichkeit dieser Reise gut zu ertragen. Sie sind ein kleines Opfer, was wir für die ganzen guten Tage wohl bringen müssen. Trotzdem ist es sehr schade, dass wir deshalb von Nordlaos so wenig sehen konnten. Diese Seite des Reisens möchte ich Euch nicht vorenthalten, denn es ist leider nicht immer alles so perfekt, aufregend Bilderbuch-würdig. Mittlerweile geht es uns beiden zum Glück wieder gut und wir konnten den Süden von Laos wieder ganz und gar genießen.