Das war Marokko!

Ich habe gelogen. Der letzte Beitrag war tatsächlich schon der letzte aus Marokko, gerade sitze ich nämlich am Flughafen in Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate. Trotzdem geht dieser Beitrag noch um Marokko, denn die ganze Story um Reise ins nächste Land verdient einen eigenen Beitrag, der dann innerhalb der nächsten Tage kommt. Erstmal also: Ein Recap von Marokko.

Als ich am 06. September in Agadir angekommen bin, hatte ich erstmal den größten Kulturschock meines Lebens. Die ersten zwei Tage habe ich mich in meinem AirBnB Zimmer versteckt und mich nicht getraut, auf die Straße zu gehen. Meine erste richtige Aktivität war ein Trip zu McDonalds, was natürlich auch nicht gerade das kulturellste Erlebnis ist. Was mich so überfordert hat in diesem Land war die absolute Gegensätzlichkeit zu dem, was ich als Heimat kenne. Auf großen Sandflächen, die mit Müll überflutet sind, spielten etliche Jungs stundenlang Fußball, während in der Nähe viele Mütter mit ihren Kinder saßen und diese beschäftigten. Die Mütter natürlich alle komplett vermummt und zu nichts berechtigt, waren den restlichen Tag über auch nicht zu sehen. Gleich in meinen ersten Tagen traf ich auf etliche Straßenhunde und Katzen, mal in besseren und mal in schlechteren Zuständen. Vor allem ein totes Katzenbaby am Straßenrand ist mir sehr in Erinnerung geblieben.
Diese Überforderung mit den Zuständen in Agadir löste sich jedoch schnell, als ich auf Dennis traf. Zu dem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber aus einem kurzen Gespräch an der Bushaltestelle sollte sehr plötzlich ein zweiwöchiger Erlebnisurlaub werden, den wir völlig ungeplant zusammen durchgezogen haben. Angefangen mit meiner ersten Surfstunde in Taghazout, bei einem sehr sympathischen aber auch etwas merkwürdigem Surflehrer, lernten wir uns besser kennen und teilten Pläne miteinander. Und so ging es wenig Zeit später nach Marrakech, der wohl spannendsten Stadt im ganzen Land. Eine Hochburg an marokkanischer Kultur, welche mich schnell gelehrt hat, nicht auf jeden Marokkaner einzugehen, der einen anspricht. Die ersten arabischen Wörter wurden gelernt, welche auch die letzten bleiben sollten, aber dafür kann ich jetzt „Hallo“ (As-Salamu Alaykum) und „Danke“ (Chukran) sagen!
Nur zwei Tage später befanden Dennis und Ich uns in einem sehr engen Bus auf dem Weg nach Imlil, mit dem Ziel, Mount Toubkal zu erklimmen. Und siehe da, nur zehn Stunden wandern, 1365 Höhenmeter und viel Erschöpfung später, standen wir auf dem höchsten Berg Nordafrikas! Damit habe ich nicht nur meine erste Nacht auf einem Berg verbracht, sondern auch den ersten Berg mit über 4000 Meter Höhe erreicht. Weitere sieben Stunden Wandern später waren wir wieder unten in Imlil und machten uns per geteiltem Taxi auf den Rückweg nach Marrakech. Nun, die nächsten zwei Tage ging es Dennis gesundheitlich gar nicht gut und meine Waden taten mehr weh als ich erwarten hätte können, so hatten wir etwas Zeit zum Ausruhen mehr als nötig.
Doch wieder zwei Tage später ging es auf in Richtung Sahara. Mit Stops in Orten wie Ait-Benhaddou, einer der ältesten marokkanischen Siedlungen, fuhren wir insgesamt zwei Tage durch mit unserem Bus nach Merzouga, dem letzten Dorf vor den Dünen. Auf den Kamelen Dromedaren, die schon auf uns warteten, ging es noch 1,5 Stunden durch die richtige Wüste, bevor wir uns in dem erstaunlich luxuriösen Camp einrichten durften. Die Nacht verging zum Glück ohne, dass wir von dem gesichteten Skorpion gestochen wurden und nach einem sehr ausgiebigen Rückweg durch das Atlas Gebirge waren wir schon am Abend wieder in Marrakech – zum dritten Mal. Zusammen mit Alexandre, einem Brasilianer den wir auf dem Wüstentour kennengelernt hatten, verbrachten wir noch zwei letzte Tage zusammen in Marrakech.
An diesem Punkt hieß es nämlich für Dennis, den Rückflug nach Deutschland anzutreten. Wir verabschiedeten uns also und ich suchte mir meine nächsten Stops raus. Fès, die Stadt der unzählbaren Gassen und Kleinkriminellen, war dabei die erste Haltestelle. Sozial relativ unspektakulär habe ich es irgendwie geschafft, kein Geld an lokale Scammer zu verlieren und verbrachte so auch nicht mehr Zeit in der Stadt, als nötig. Trotzdem sollte ich dort noch Andy und Fibi treffen, mit denen ich ein Abendessen verbringen durfte.
Weiter in Richtung Norden lag als nächstes Chefchaouen auf dem Weg. Die blaue Stadt, welche tatsächlich mehr als nur eine langweilige Touristenattraktion ist, sollte zwar wirklich hübsch aussehen, aber im Endeffekt auch sehr schnell abgehakt sein. Trotzdem traf ich dort auf Matthi, Devid und Katrina. Zwei Deutsche und ein Südtiroler, die sich auch gerade erst kennengelernt hatten und mich gerne in die kleine Gruppe aufnahmen, um am nächsten Tag eine kleine Wanderung mit anschließender Abkühlung im Bade-Fluss abzuschließen.
Mit Matthi ging es auch am nächsten Tag gleich weiter, da unsere Route uns gleichzeitig nach Tetouan führte. Dort trafen wir auf eine reisende Chinesin, die kurzzeitig im Hostel arbeitete und uns ein wenig durch die Stadt führte. Als sich Matthi dann aufmachte in Richtung Süden, fuhr ich ganz in den Norden nach Tanger, der Hafenstadt Marokkos. Das Klima hatte sich bereits grundlegend geändert, und gestaltete sich als deutlich kühler und windiger als im Süden des Landes. In meinem Hostel traf ich durch Zufall wieder auf Devid, mit welchem ich daraufhin die nächsten Tage verbrachte. Wir erkundeten Tanger, wurden Teil eines lokalen Musikfestivals, welches kulturell in eine völlig andere Richtung ging als erwartet, und machten einen Tagestrip nach Asilah. Danach verabschiedete sich Devid in Richtung Südtirol und ich bewegte mich nach Rabat – der Hauptstadt Marokkos.
Das erste Mal in der ganzen Zeit erwischte ich hier ein schlechtes Hostel, welches mich freudig mit einem einsamen Huhn auf dem Dach und leider nicht sehr einsamen Ameisen in meinem Bett begrüßte. Abgesehen davon überraschte mich die Stadt aber mit ihrer Sauberkeit und einem wirklichen schönen Strandgebiet. Am Abend traf ich dort noch auf Finn und Salma, mit denen ich das erste Mal ein wenig in die arabische Sprache eingeführt wurde. Viel wichtiger jedoch – und jetzt kommen wir zu dem tatsächlich neuen Part dieses Beitrags – traf ich auf Melker. Der 19-jährige Schwede war auch auf dem Weg nach Casablanca und wollte, wie ich, nur eine Nacht bleiben. Bei einem gemeinsamen Abendessen suchten wir uns ein AirBnB raus, um nicht nur Kosten zu sparen, sondern auch gemeinsam die Stadt erkunden zu können. Auch wenn Casablanca in den meisten Gegenden wirklich nicht gerade die schönste Stadt ist, so war die „Hassan 2 Moschee“ wirklich erstaunlich beeindruckend. Am ersten Abend konnten wir uns nur von außen angucken, wie diese Mosche direkt am Wasser stand, doch sie hat mich so sehr überzeugt, dass ich am nächsten Tag eine für meine Verhältnisse wirklich teure Führung mitgemacht habe. Die Moschee ist noch nicht alt und dementsprechend noch neu, fertiggestellt wurde sie erst in 1993. Mit 200 Metern Höhe ist sie das höchste religiöse Gebäude der Welt und mit ca. zwei Hektar Platz in der Haupthalle ist sie die drittgrößte Moschee der Welt. Innen finden 25.000 Betende Platz und auf dem äußeren Gelände weitere 80.000 Menschen. Natürlich sieht das nicht jeden Tag so aus, sondern nur zu großen Events und Ramadan, aber die Größenordnung eines solchen Gebäudes zu sehen war definitiv beeindruckend. Dazu sollte dies auch der letzte Eindruck von Casablanca sein, den ich aktiv sehen sollte, denn alles nach dieser Führung gehört bereits zur Fahrt zum Flughafen und somit in den nächsten Artikel.

Jetzt wo ich aus dem Land schon wieder raus bin, habe ich mir also die Frage gestellt: Was halte ich eigentlich von Marokko? Ich hatte so viele positive Erlebnisse und Eindrücke, welche wiederum häufig von anderen Reisenden geprägt waren und zeitgleich auch einige negative Erfahrungen. Um selbst also meine Meinung besser verstehen zu können, habe ich mir die Frage in mehrere kleinere Fragen aufgeteilt.

  1. Was war mein Highlight?
    Auch wenn ich gleich so einige völlig neue Erfahrungen gemacht habe, bin ich mir relativ sicher, dass meine Lieblingserfahrung die Wanderung auf den Mount Toubkal war. Klar, auch hier lief nicht alles perfekt. Dennis wurde krank, meine Beine waren danach unbrauchbar und wir haben beide für den Guide deutlich mehr Geld ausgegeben als wir wollten. Trotzdem war die Aussicht von dem Gipfel ein Anblick, den ich so schnell nicht wieder vergessen werde. Nach den Stunden Wandern war die Aussicht genau die richtige Belohnung für mich, um die Motivation für den Abstieg zu finden. Auch als Gesamterfahrung mit der chaotischen Hinfahrt, der etwas speziellen Nacht in dem Bergcamp und den Nachwirkungen der Wanderung, liebe ich die Spontanität dieser Aktion einfach und muss dies als meine Lieblingsaktivität in Marokko abstempeln.
  2. Was halte ich von der marokkanischen Kultur und den Menschen?
    Moralisch ist das eigentlich keine Frage. Eine Kultur in der Frauen systematisch weniger Wert sind als Männer und nur dazu genutzt werden, im Haus zu bleiben und Teppiche zu nähen? Eine Kultur die Hunde und Katzen als Nutztiere abstempelt und sie behandelt, als wären sie Objekte? Natürlich kann ich das bei bestem Willen nicht unterstützen. Aber von allem was ich in der letzten Zeit mitbekommen habe, kann ich relativ sicher sagen: Bessere Zeiten sind auf dem Weg. Immer mehr Frauen bekommen wichtigere Rollen in der Gesellschaft und die Religion dominiert die Gesellschaft nicht mehr ganz so extrem wie bisher. Viele junge Marokkaner sehen selbst, dass die damaligen Zustände heutzutage völlig unvorstellbar und unzumutbar sind und sind sehr gewillt, etwas daran zu ändern. Ich persönlich habe ich mich als Tourist meistens sehr willkommen gefühlt. Der absolute Großteil der Marokkaner ist wirklich aufgeschlossen und hilfsbereit. Ich habe Gesten mitbekommen, bei denen das Wohl eines völlig Fremden weit über das hinausgeht, was wir als Gastfreundschaft kennen. Ich denke als Tourist kann man sich in Marokko sehr schnell wohl fühlen und findet auch immer Locals, die sich über eine gute Gesellschaft freuen. Trotzdem liegt politisch und rechtlich noch viel Arbeit vor dem Land.
  3. Will ich irgendwann nach Marokko zurückkehren?
    Unbedingt. Aber nicht bald. Ich habe in diesem einen Monat fast alles gesehen, was mir wichtig war und bin rückblickend wirklich zufrieden, mit der Art, wie ich hier gereist bin. Ich kann mir sehr gut vorstellen, in ein paar Jahren nochmal zurückzukommen und einige abgelegenere Gegenden zu erkunden, mehr die Küste zu surfen auszunutzen und vielleicht noch einmal den Mount Toubkal zu besteigen. Aber all das hat Zeit, denn nicht nur habe ich noch sehr große Pläne bevor ich auch überhaupt nur die Möglichkeit auf einen Marokko-Urlaub hätte, auch habe ich erst einmal genug von dem Land. Das klingt vielleicht negativ, im Endeffekt bin ich aber einfach nur bereit, etwas neues zu erleben. Marokko fühlt sich nach dieser Zeit nämlich fast schon bekannt an.

Am Ende kann ich also nur sagen: Marokko war eine großartige Wahl für diese Reise! Hier habe ich die Kunst des Backpacking gelernt, wie man von Tag zu Tag spontan lebt und reist, ohne einen Plan von der nächsten Unterkunft oder sogar Stadt. Außerdem ist es total einfach, andere Reisende zu treffen, mit denen man ein wenig mitreisen kann. Eine Enttäuschung war tatsächlich nur das Essen, denn abgesehen von der Tajine und Couscous, hat die marokkanische Küche hauptsächlich Fast-food zu bieten. Den überzuckerten Minztee werde ich wohl etwas vermissen, jedenfalls nachdem ich mich von den etlichen Zuckerschocks erholt habe.
Ich könnte an dem jetzigen Punkt weder glücklicher sein mit meiner Wahl, noch mich mehr auf die nun kommenden Reisen zu freuen. Die Zeit in Marokko war möglicherweise ein ganz bisschen zu viel, aber wenn dann auch wirklich nur ein ganz bisschen. Mit der Erfahrung, die ich hier gemacht habe, bin ich total zufrieden und freue mich jetzt schon sehr auf darauf, wenn ich eines Tages zurückkomme!
Doch erst einmal werfe ich den Blick auf die nächsten Stunden, denn in sehr absehbarer Zeit hebt schon mein zweiter Interkontinentalflug ab, von dem ich dann ganz bald berichten werde.

Bis dahin!

PS: Alles andere aktualisiere ich wannanders, inklusive Bildern, dem fehlenden YT-Video und der Statistik. Mittlerweile ist es nämlich 06:10 Uhr morgens, ich habe keine Sekunde geschlafen und warte nur auf meinen Flug, damit ich den Schlaf nachholen kann. Ich hoffe der Artikel ist trotz Müdigkeit lesbar geworden!