Der erste (großartige) Eindruck von der Westküste

Unser neu geschmiedeter Südinsel-Reiseplan führte uns am 07. Oktober zuerst einmal die Westküste runter. Zwar nicht allzu weit, denn nach etwa 1/3 der Strecke mussten wir scharf links abbiegen und einmal durch bis auf die andere Seite der Insel fahren, aber noch bevor wir dazu gekommen sind haben wir einige Highlights der Südinsel kennenlernen dürfen.
Die Westküste wird oft als sehr naturbelassen und rural beschrieben und ich muss sagen; das kommt ziemlich gut hin. Größere Städte (oder eher Dörfer) sind dort schon eher eine Seltenheit und bis auf eine große Straße von Norden nach Süden gibt es auch nicht viel. Genau deswegen hat die Natur hier aber einige Besonderheiten behalten können, die wir auf der Fahrt sehen konnten. Direkt aufgefallen sind uns natürlich wieder die Wekas, die sich oft am Straßenrand getummelt haben und zu anhaltenden Autos liefen, um dort nach Essen zu suchen. Oft liefen sie leider auch auf der Straße, aber wir haben zum Glück keins überfahren. Dafür haben wir mal mitgezählt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man beim Fahren auf neuseeländischen Straßen etwa alle zehn Minuten auf ein totes Tier trifft – das fällt also sehr auf beim Fahren.

Als ersten richtigen Stop auf der Strecke haben wir einen Ort ausgewählt, den ich jetzt gar nicht mehr benennen kann. Wir sind gerade südlich gefahren, als Beeke vorgeschlagen hat einen kleinen Umweg zu fahren, da dort ein Aussichtspunkt lag. Gesagt getan, fanden wir uns ein Stück abseits der großen Hauptstraße wieder. Bereits auf dem Weg hatten wir immer eine tolle Aussicht auf die umliegenden Berge, aber auf die Aussicht am Aussichtspunkt hatten wir uns nicht vorbereitet.

P.S. (Nachtrag von Beeke): Der See heißt Lake Rotoiti

Gleich unter dem Steg am Wasser tummelten sich lustigerweise dutzende Aale. Wahrscheinlich haben sie den einzigen schattigen Ort im ganzen See entdeckt und warten nun die Mittagshitze ab, für uns war das auf jeden Fall eine unerwartete Entdeckung.

Nach einer kleinen Pause am Wasser und einem kleinen Fotoshoot machten wir uns wieder auf den Weg Richtung Süden. Unser Tagesziel war die Stadt Westport, die ziemlich weit im Norden der Westküste am Wasser liegt. Auf dem Weg führte unsere Straße immer an einem Fluss entlang, bis wir gemeinsam mit ihm endlich an der Küste angekommen sind. In Westport standen wir auf einem Stellplatz direkt am Meer und haben auch viel Zeit dort verbracht. Wir waren zwar nicht schwimmen, haben aber dafür doch den einen oder anderen Strandspaziergang gemacht. In der Stadt selbst ist wirklich nicht viel los, die Westküste ist, wie gesagt, sehr ruhig.

Doch der nächste spannendere Ort, an dem wir anhalten wollten, ließ nicht lange auf sich warten, denn schon am neunten Oktober haben wir Westport hinter uns gelassen. Nachdem wir eine Weile direkt am Wasser längs gefahren waren stießen wir auf einen Ort, wo man angeblich frei lebende Seehunde beobachten konnte. Hierfür gab es einen Parkplatz und einen Mini-Wanderweg, aber überhaupt keinen Eintritt oder Überwachung. Zum Beobachten der Kolonie konnte man sich auf eine Holz-Plattform stellen, die etwa 30 Meter über dem Meer und den angeblichen Seehunden positioniert war. Als wir dort ankamen und das erste Mal abwärts blickten, waren wir erst ein wenig enttäuscht weil wir gar keine Robben gesehen haben. Nach einigen weiteren Blicken sind uns dann aber doch welche aufgefallen und je länger wir hinguckten, desto mehr wurden es auch! Diese Tiere waren so gut zwischen den Steinen versteckt, dass sie wirklich nicht einfach zu finden waren. Nach kurzer Zeit haben wir dann auch ein paar robbende Robben entdeckt, die sich auf den Steinen neu ausrichteten. Sogar ein paar Babyseehunde tummelten sich hier. Kurz hinter der Robbenkolonie waren noch ein paar große Felsen im Meer, die aufgrund des starken Windes teilweise komplett von Wellen umschlungen wurden. Ich frage mich wirklich, wie man da als Seehund noch durchschwimmen kann ohne gegen Felsen geschleudert zu werden. Der Kolonie schien es aber gut zu gehen. Leider hat es während unseres Aufenthalts dort geregnet und so sind wir nach einiger Zeit auch wieder zurück zum Auto gelaufen und den Schutz eines Daches genossen.

Weiter ging es für uns in Richtung eines Ortes, der sich auf Google Maps „Pancake Rocks & Blowholes“ nennt. Was im ersten Moment vielleicht eher wie der Name eines schäbigen Restaurants klingt ist in Wahrheit aber ein unglaubliches Naturphänomen. Beeke und ich sind dort eigentlich nur angehalten, weil wir am Tag noch relativ viel Zeit hatten. Draußen war es ganz schön windig und regnete hin und wieder, unsere Motivation war also nicht gerade riesig. Doch als wir am Eingang dieser Attraktion ankamen und das erste Mal sehen konnten, was dieser Name eigentlich zu bedeuten hat, wurde unsere Motivation regelrecht in die Höhe katapultiert.

Der Ort trägt den Namen „Pancake Rocks“ weil sich über die Jahrtausende hier Steine gebildet haben, die im Prinzip aussehen wie ein riesiger Stapel Pancakes. Soweit ich es verstanden habe, ist das durch die verschiedenen Erdschichten passierten, die durch den harten Wellengang immer wieder abgetragen und neu geformt wurden. Alleine diese Ansicht der ungewöhnlichen Stein-Szenerie war schon schön, aber das wahre Highlight dieses Ortes waren trotzdessen die „Blowholes“. Im Entstehungsprozess dieses Gesteins hat nämlich, wie gesagt, das Meer eine große Rolle gespielt. Die Wellen haben dabei nicht nur die Gesteinsschichten geformt, sondern sich auch an mehreren Stellen durch den Stein gefressen, sodass unter der Oberfläche heute einige Höhlen existieren. Wenn der Wellengang stark genug war, hat sich mit jeder großen Welle in der Höhle ein Unterdruck aufgebaut, sodass das Wasser gegen die Höhlendecke gepeitscht ist – und das solange, bis es sich auch durch die Decke einen Weg in die Freiheit gefressen hatte. Heutzutage zeigt sich das so, dass man schon durch ein tiefes Rauschen und Grummeln hört, wenn eine große Welle in die Höhle hineinfließt. Kurz darauf schießt oben, gleich an der Höhlendecke, das Wasser wieder nach draußen – wie bei einem Geysir! Dies Spektakel zeigt sich an mehreren Stellen dieser Attraktion und ist jedes Mal ein klein wenig unterschiedlich: Mal schießt das Wasser nach oben, mal zur Seite und mal kommt gar kein Wasser raus – dafür wird jedoch Luft durch das Loch gedrängt, was zu einem lauten Pfeifen führt!

Dieser Ort war sehr unerwartet toll und ich bin nicht nur froh, dass wir überhaupt stehen geblieben sind, sondern auch, dass wir an dem Tag so „schlechtes“ Wetter hatten. Der starke Wellengang hat dazu geführt, dass wir so richtig miterleben durften, wie viel Kraft eigentlich im Meer steckt.

Nachdem wir die „Pancake Rocks & Blowholes“ genug bestaunt hatten ging es für uns weiter an einen nahe gelegenen Strand. Dieser Strand war nicht gerade der typischste Urlaubsstrand, aber mindestens genauso cool. Anstatt Sand hatten wir dort Steine, etwas größer als Kiesel, in den man beim Laufen total einsank – vor allem Rennen wurde dadurch also fast unmöglich. Außerdem war der Strand umgeben von Klippen, vor denen wiederum riesige Felsbrocken lagen, die in der letzten Zeit von dort abgebrochen sein mussten. Von der anderen Seite rauschten alle paar Sekunden die Wellen auf uns zu. Da wir ja einen Tag mit einem ordentlichen Wellengang ausgesucht hatten, waren diese Wellen auch ganz schön groß und so überhaupt nicht einladend um schwimmen zu gehen. Dafür sah dieser Ort ziemlich cool auf Fotos aus:

Am nächsten Morgen befanden wir uns bereits in Greymouth. In der Stadt war der nächste kostenlose Campingplatz und auch geografisch ist sie nicht ganz unwichtig für Neuseeland. Von hier aus spaltet sich die große Straße nämlich – ein Weg geht weiter Richtung Süden, der andere führt einmal quer über die ganze Insel bis an die Ostküste. Unser Plan war es, diesen Weg auf die andere Seite zu nehmen und daraufhin den Südteil der Südinsel im Uhrzeigersinn abzufahren, sodass wir am Ende wieder in Greymouth landen. Von dort aus könnten wir den mittleren Weg noch einmal fahren und hätten jeden Teil der Südinsel abgearbeitet, ohne viel Weg doppelt fahren zu müssen.

An unserem ersten Morgen in Westport blickten wir aus dem Fenster und dachten sofort: Wie gut, dass wir bald an die Ostküste fahren. Nach dem sowieso schon durchwachsenen Tag gestern war es heute nicht nur windig, sondern auch neblig und teilweise regnerisch. Laut einem Wetterbericht war es zeitgleich an der Ostküste sonnig, warm und klar. Von den Kiwis wird die Westküste wohl teilweise auch „Wetcoast“ genannt – jetzt verstehe ich den Spitznamen auch.

Bei einem kurzen Trip durch die Stadt Greymouth haben wir noch etwas entdeckt, was wohl nicht unbedingt alltäglich für die Gegend war. Die Stadt ist, ganz ähnlich zu Westport, geteilt durch einen Fluss, der aus den Bergen kommt und hier ins Meer fließt. An der Mündung ist er bestimmt über 100m breit und dementsprechend an sich schon episch. Doch an dem Tag, an dem wir da waren, hatte es wohl so lange und so viel geregnet, dass der Fluss einen viel höheren Stand hatte als sonst. Das sah man nicht nur daran, dass am Flussufer einige Pflanzen und Bäume unter Wasser standen, sondern auch daran, dass immer wieder Äste und teilweise ganze Bäume in Richtung Meer getrieben wurden, die wohl durch die Flut mitgerissen wurden. Auf der Brücke, die die beiden Seiten der Stadt verbindet, haben wir einen Anwohner der Stadt getroffen, der extra mit seiner kleinen Tochter hierher gefahren war, um ihr zu zeigen wie der Fluss aktuell aussieht. Die Strömung sah aber auch so aus, als wäre man bereits in wenigen Sekunden rettungslos auf das Meer rausgetrieben worden, ich verstehe also den Gedanken.

Auch wenn der Fluss und der Nebel in den Bergen zwar sehr episch aussieht, haben wir uns gleich am nächsten Morgen auf den Weg in Richtung Ostküste und Christchurch gemacht. Die Strecke, die man dafür fahren muss, nennt sich „Arthur‘s Pass“ und führt zum absoluten Großteil durch die Berge. Genau diese Berge sind auch der Grund dafür, dass das Wetter an der Westküste so viel schlechter ist. Die Wolken bilden sich über dem Meer, ziehen mit dem Wind an die Berge und regnen sich dort ab. Für die ersten Kilometer haben wir das auch noch ordentlich mitbekommen, denn die Straße war anfangs in sehr dichten Nebel gehüllt. Er war sogar so dicht, dass wir kurzzeitig überlegt haben, umzudrehen und den Weg an einem anderen Tag zu fahren – soweit wir wussten, sollte die Strecke nämlich richtig schön sein!
Glücklicherweise haben wir uns aber dagegen entschieden, denn nach etwa einer halben Stunde Fahrt klarte der Nebel immer weiter auf: Plötzlich konnten wir nicht nur sehen, wo die Straße längs geht, sondern auch langsam aber sicher die umliegenden Bergspitzen!

Je weiter wir in Richtung der Mitte der Insel fuhren, desto schöner wurde es auch. Kurvige Bergstraßen, szenische Wälder und verschlungene Flüsse begleiteten uns auf jedem Meter. Hin und wieder sind wir am Straßenrand angehalten, um Fotos zu machen und die Landschaft zu genießen, was natürlich auch ein riesiger Vorteil des eigenen Autos war. Wir haben immer wieder Reisebusse gesehen, die über die Straßen rauschten und überhaupt keinen Platz dafür ließen, ein wenig zu bewundern wie es um einen herum überhaupt aussah. Gleich neben der Straße führt auch eine Zugstrecke längs; diese wird sogar als eine der schönsten Zugfahrten weltweit beschrieben und ehrlich gesagt kann ich mir das zwar vorstellen, bin aber trotzdem sehr froh um unser eigenes Transportmittel!

An einem Punkt sind wir über eine riesige Brücke gefahren, die auf Google Maps als Aquädukt eingezeichnet ist – und genau so hat sie sich auch angefühlt. Kurz vor dem Ende der Brücke sind wir sogar unter einem Wasserfall durch gefahren, der durch ein Betondach abgefangen wurde und direkt neben der Straße Richtung Boden rauschte. Als wir oben am Ende der Brücke ankamen, haben wir einen kleinen Stop an einem Aussichtspunkt gemacht. Dort haben wir auch das allererste Mal einen Kea getroffen! Keas sind Vögel, die so weit ich weiß ausschließlich in Neuseeland leben. Es ist eine Art Papagei und erstaunlich groß. Dazu sind sie unfassbar zutraulich und es interessiert sie so überhaupt nicht, ob Menschen in der Nähe sind. Dadurch kann man aber auch umso einfacher Fotos von ihn machen, was dann zu solchen tollen Ergebnissen führt:

Etwa auf der Hälfte der Strecke liegt ein kleines Dorf, das „Arthur‘s Pass Village“. Kreativ, nicht wahr? Zugegebenermaßen ist es auch weniger ein eigenständiges Dorf und mehr ein Zwischenstopp für alle Reisenden, die hier entweder mit Bus und Zug eine Pause machen oder mit dem Auto nochmal tanken können. Das mussten wir zum Glück nicht, denn der Sprit war hier etwa 30 Cent teurer als in unserem Durchschnitt.
Dieser Zwischenstopp auf der Bergdurchquerung hat trotz seiner Größe wirklich einiges zu bieten. Von hier starten beispielsweise mehrere Wanderungen, eine relativ bekannte nennt sich „Avalanche Peak“. Aufgrund des Namens der Wanderung und dem Fakt, dass aktuell noch immer Schnee lag, haben wir diese einfach mal ausgelassen. Außerdem hatten wir ein klein wenig Zeitstress, denn wir wollten noch am gleichen Tag auf der anderen Seite des Landes in der Stadt Christchurch ankommen. Wir haben uns also für eine deutlich kleinere Wanderung entschieden, die statt fünf Stunden wie Avalanche Peak nur etwa 30 Minuten dauern sollte. Das hat auch ganz gut gepasst, was ich tatsächlich ziemlich überraschend finde, wenn man bedenkt dass man in dieser kurzen Zeit von der großen Straße zu einer der coolsten Attraktionen Neuseelands kommt:

Hier sieht er nicht so riesig aus wie in echt!

Wir standen nun plötzlich vor einem der größten Wasserfälle des Landes, der mit 131 Metern Höhe wirklich riesig wirkte. Auf der kleinen, hölzernen Plattform auf der wir standen, waren wir nur einige Meter von dem Pool entfernt, wo das Wasser aufkam. Durch den starken Wind wurde das Wasser aber in Großteilen auch in unsere Richtung geweht und so waren wir nach wenigen Minuten klatschnass. Wir hatten so etwas schon befürchtet und dementsprechend unsere Regensachen mitgenommen, aber richtig geholfen haben diese nicht. Glücklicherweise war es ja warm und noch bevor wir beim Auto angekommen sind, waren unsere Sachen schon fast wieder trocken.
Dieser Wasserfall ist zwar nicht der höchste des Landes, aber definitiv einer der zugänglichsten in dieser Größenordnung. Mit einer so kurzen und einfach Wanderung direkt unter dem Wasserfall zu stehen war absolut fantastisch. Alleine durch diese Aktion hat sich unsere doppelte Fahrt (vor allem anstatt gar keiner) durch den Arthur‘s Pass schon gelohnt!

Der Großteil der restlichen Fahrt durch den Arthur‘s Pass war relativ gleichbleibend. Das heißt aber nicht, dass wir es nicht genossen hätten! Denn die Landschaft war noch immer wunderschön, mit Bergen auf beiden Seiten. Die Straße war mal kurvig, mal so gerade dass man die nächste Kurve gar nicht sehen konnte. Ich kann sehr empfehlen nochmal in die Neuseeland-Gallerie zu gucken, da sind ein paar mehr Fotos von der Landschaft drin.

Auf den letzten Kilometern bevor wir unseren Schlafplatz erreichten konnten wir dann noch unser Auto bei einem Meilenstein begleiten: Wir haben die 150.000 Kilometer geknackt. Und mit diesem tollen Abschluss war unsere Fahrt auch zuende, denn wir hatten die Stadt Christchurch erreicht. Jedenfalls fast, denn der nächste kostenlose Campingplatz war etwas außerhalb. Hier anzukommen hat sich schon spannend angefühlt, weil wir wussten, dass wir von hier aus weiterfliegen werden. Von hier an lag zwar noch einiges neues vor uns, aber „nur“ im Kreis zurück nach Christchurch. Trotzdem steht uns sicherlich noch so einiges bevor, was wir nicht verpassen wollen würden!