Ein Blick auf Nordkorea
Ein eindrückliches Highlight in Seoul war eine DMZ-Tour, an der wir am 13. April teilgenommen haben. Die DMZ (demilitarized zone, also die entmilitarisierte Zone) ist ein vier Kilometer breiter Streifen, der Nord- und Südkorea voneinander trennt. Die Zone zieht sich über die gesamte, 248 Kilometer lange Grenze der beiden Länder. Im Norden wird sie von der Northern Limit Line und im Süden von der Southern Limit Line begrenzt. In der Mitte liegt die eigentliche Landesgrenze.
Der Aufbau ist ca. so:
↑ Nordkoreanisches Staatsgebiet
———————————— Northern Limit Line
Nördliche 2km der DMZ, nordkoreanisches Staatsgebiet
================== Grenze der beiden Koreas
Südliche 2km der DMZ, südkoreanisches Staatsgebiet
———————————— Southern Limit Line
↓ Südkoreanisches Staatsgebiet
Um zwanzig vor acht haben wir uns mit den anderen Besuchern und unserem Guide am Reisebus getroffen und sind ca. eine Stunde nördlich gefahren. Schon auf der Fahrt hat uns der Guide viel über die Geschichte der beiden Koreas erzählt. Ähnlich wie Deutschland wurde es nach dem zweiten Weltkrieg von den USA und der Sowjetunion in zwei Besatzungszonen aufgeteilt. Im Jahr 1950 griff der Norden den Süden an und so begann der dreijährige Koreakrieg, in dem neben den koreanischen Truppen auch viele UN-Mitgliedsstaaten kämpften. Mit dem Beginn des Krieges wurden viele Familien auseinandergerissen, da sie nach der Kriegserklärung nicht mehr die Seite wechseln durften. Jahrzehnte später hatten manche dieser getrennten Familien die einmalige Chance sich für wenige Stunden in der DMZ zu sehen, aber niemand durfte die andere Seite betreten. Unser Guide hat uns auch von seinen persönlichen Erfahrung und seiner Familiengeschichte erzählt, die durch diesen Krieg stark geprägt wurde.
Unser erster Stopp war Imjingak. In diesem Park gibt es viele Denkmäler und einige historische Bauwerke aus dem Koreakrieg.
Daneben steht eine der wenigen Brücken, die heutzutage noch nach Nordkorea (bzw. nah an die Grenze) führt. Die Brücke wird umgangssprachlich auch Cowbrigde (also Kuhbrücke) genannt. Dazu hat uns unser Guide folgendes erzählt:
Im Jahr 1915 wurde Chung Ju-yung in einem kleinen japanisch-besetzten Dorf geboren, welches heutzutage zu Nordkorea gehört. Damals versuchte er aus der Armut und dem Farm-Leben zu fliehen und verkaufte dafür eine gestohlene Kuh. Beim Ausbruch des Koreakrieges hielt er sich in Südkorea auf und konnte danach nicht wieder zu seiner Familie in den Norden zurück. Viele Jahre später gründete dieser Mann die Autofirma Hyundai und wurde damit sehr erfolgreich. Er engagierte sich sein ganzes Leben bei dem Versuch, die beiden Koreas wieder zu vereinigen. Dafür half er mit seinem erlangten Reichtum diese Brücke zu bauen und zahlte dem Land die gestohlene Kuh zurück, indem er 1001 Kühe über diese Brücke in den Norden schickte. Deshalb werde sie heute auch die „Kuhbrücke“ genannt.
Doch diese Brücke ist nicht die einzige Verbindung in den Norden, denn im Park befindet sich auch das Ende einer Zugstrecke, die einst bis nach Pyongyang, in die nordkoreanische Hauptstadt, geführt hat. Dort steht immer noch eine Lokomotive, die im Krieg von den UN-Truppen zerstört wurde, damit Nordkorea keine Möglichkeit hat die bestehenden Schienen damit zu nutzen. Später hat Nordkorea die Schienen auf ihrer Seite zerbombt, um jeden Verbindungsweg zwischen den beiden Ländern zu trennen.

Neben der Lokomotive haben wir diese große, kunstvolle Glocke auf einem Tempel-ähnlichen Podest gesehen. Die „Friedensglocke“ besteht aus Metall, das von allen Staaten gespendet wurde, die Südkorea im Krieg unterstützt haben. Diese Glocke soll man bis nach Nordkorea hören und sie „ruft“ so nach der Einigkeit der beiden Staaten. Ein letztes interessantes Bauwerk, was uns unser Guide erklärt hat, war die Freedom Bridge. Auf dieser Brücke, die extra zu diesem Zweck gebaut werden musste, wurden nach dem Koreakrieg mehrmals Gefangene der beiden Seiten ausgetauscht. Für viele Kriegsgefangene war der Weg über die 83 Meter lange Brücke der Weg zurück in ihre vermisste Heimat und hat deshalb eine große historische Bedeutung.
Nach der geführten Tour durch unseren Guide haben wir an diesem Ort einen Geldschein aus Nordkorea gekauft. Thies sammelt seit dem Anfang seiner Reise Geldscheine aus den unterschiedlichen Ländern. Nach Nordkorea werden wir zwar nicht hineingehen, aber wir waren sehr nah dran, weshalb dieser Schein eine gute Erinnerung an die heutige Tour ist!
Nach einer fünfzehnminütigen Fahrt mit dem großen Reisebus sind wir an einem Ort angekommen, der auf den ersten Blick gar nichts mit Nordkorea oder dem Krieg zu tun hat. Nach einer kurzen Wanderung hat unsere Gruppe den Rand einer langen Brücke erreicht. Sie ist über 10 Meter hoch und über 220 Metern die längste Hängebrücke in ganz Südkorea. Genau als wir dran waren die lange Brücke zu überqueren, hat es ordentlich angefangen zu wehen und zu regnen. Durch den starken Wind hat die Brücke ein bisschen geschwankt und unsere Überquerung so etwas spannender gestaltet. Nach wenigen Minuten hat es jedoch schon wieder aufgehört, weshalb ich zum Glück nicht ganz durchgefroren war. In den Bergen, zwischen denen sich die Brücke heute aufspannt, wurde im Koreakrieg heftig gekämpft. Unter anderem hat dort eine ganze britische Einheit ihr Leben verloren, als sie als letzte UN-Truppe versucht haben die Stellung zu halten, während alle anderen Truppen bis nach Busan (eine Stadt im Südosten Südkoreas) zurückgedrängt wurden. Zum Gedenken dieser Soldaten hängt dort heute neben der Taegeukgi (so heißt die südkoreanische Flagge) auch der Union Jack (offiziell Union Flag) aus Großbritannien.

Auf der Mini-Wanderung zu der Brücke sind wir an mehreren alten Bunkern vorbeigekommen. Es ist schon komisch zu wissen, dass dort vor 70 Jahren Menschen waren, die um ihr Leben kämpfen mussten.
Bevor es weiter an die Grenze ging, haben wir uns zuerst viele Meter in die Tiefe gewagt. Im Jahr 1974 wurde ein erster Tunnel entdeckt, der unter der DMZ entlang bis südlich der Southern Limit Line führte. In den nächsten Jahren wurden drei weitere Tunnel entdeckt, wobei geschätzt wird dass heutzutage noch bis zu 20 weitere solcher Tunnel unentdeckt existieren. Die Tunnel zeigen von der Richtung alle auf Seoul und sollten deshalb vermutlich einer unbemerkten Invasion Südkoreas dienen. Nordkorea behauptet, dass die Tunnel von südkoreanischen Minenarbeitern gebaut wurden, die sich verirrt hatten und die Tunnel nach Norden gebaut haben. Da es in der Region aber keine Bodenschätze gibt und die Dynamitlöcher nach Süden zeigen, ist sich Südkorea sicher, dass diese Tunnel vom Norden als Invasionstunnel gebaut wurden. Einige der Tunnel konnten durch Bodenmessungen (keine Ahnung wie es genau funktioniert) gefunden werden, andere wurden nur durch Hinweise von Deserteuren aus dem Norden gefunden. In einen dieser Tunnel (den dritten, weil er als drittes gefunden wurde) kann man durch den von Südkorea gebauten Abfang-Tunnel betreten. Der dritte Tunnel ist 130 Meter tief und 1635 Meter lang. Es wird geschätzt, dass bis zu 30.000 Soldaten pro Stunde durch diesen Invasionstunnel hätten marschieren können.
Heutzutage ist er eine beliebte Touristenattraktion, recht gut ausgebaut und ein fester Bestandteil aller DMZ-Touren. Im Tunnel ist Filmen und fotografieren strengstens verboten, weshalb wir unser Handys, Kameras und sonstigen technischen Geräte in einen Spind schließen mussten. Am Eingang des abwärts führenden Tunnels stand sogar ein Metalldetektor (wie am Flughafen), um die Umsetzung dieser Regelung zu kontrollieren. Da der Tunnel sehr niedrig war, haben wir am Anfang alle Helme bekommen und haben dann den Abstieg begonnen. Über 10 Minuten sind wir auf einem langen Betonweg einfach nach unten gegangen. Das letzte Drittel habe ich dabei rückwärts zurück gelegt, da mein Knie mir ein bisschen Probleme bereitet hat. (Der Weg war also wirklich, wirklich lang!)
Ganz unten angekommen ist zur rechten Seite das Ende des Original-Tunnels mit den Dynamitlöchern in südliche Richtung. Zur linken Seite (also nach Norden) ging der Tunnel weiter und wir sind diesem langen, schmalen und niedrigen Gang gefolgt. Nach wenigen Metern hat sich der Helm für Thies schon gelohnt, denn er hat sich gleich am Anfang schon den Kopf an der Steindecke gestoßen. Es ist nicht bei einem mal geblieben und auch ich habe mich im Nachhinein sehr über meinen Helm gefreut.
Am „Ende“ des Ganges befindet man sich plötzlich vor einer Betonwand mit nur einer Öffnung. Dahinter kann man einige Pflanzen sehen, die dort in der Dunkelheit wachsen, bis nach etwa 10 Metern eine weitere Betonwand die Sicht versperrt. Diese kleine Kammer liegt genau auf der Grenze zwischen den beiden Ländern und wir befanden uns somit genau unter der DMZ, die an der Oberfläche nicht zugänglich ist. In diesem Tunnel zu stehen, der vermutlich für die Einnahme Seouls (und ganz Südkoreas) gebaut wurde, war ein merkwürdiges Gefühl. Wir sind beide zum Glück nicht klaustrophobisch, aber es war trotzdem etwas bedrückend und gleichzeitig sehr spannend und etwas aufregend. Und das, obwohl wir ja eigentlich einfach nur vor einer Betonwand standen. Vielleicht liegt es aber auch genau daran, wir wissen ja nicht was sich hinter der zweiten Wand, auf nordkoreanischer Seite, befindet. Ebenfalls Touristen? Soldaten, Kameras oder ein rosa Einhorn? Vermutlich ist der Gang auf der anderen Seite komplett ausgestorben und seit mehreren Jahren nicht mehr betreten worden, aber man kann es ja nie wissen!
Der Höhepunkt und letzter Stopp auf der Tour war ein Aussichtspunkt ganz nah an der Southern Limit Line, also an der Linie, wo die DMZ in Südkorea beginnt. Dort kann man in das entmilitarisierte Gebiet und sogar bis auf nordkoreanischen Boden blicken. Diese Nähe zu Nordkorea wird von den Südkoreanern auf verschiedene Weisen genutzt. Unter anderem haben sie dort mehrere große Musikboxen aufgestellt, auf denen sie aktuelle Nachrichten aus der Welt, ihre Nationalhymne oder einfach K-Pop laufen lassen. Damit die nordkoreanische Bevölkerung davon möglichst wenig mitbekommt, stehen offenbar auch auf der gegenüberliegenden Seite solche Boxen, die mit Tiergeräuschen oder auch menschlichen Rufen und Schreien versuchen die Musik aus dem Süden zu übertönen.
Von der Aussichtsplattform aus konnten wir aber noch eine andere Form des „Streits“ beobachten. Jedes der beiden Länder hat die jeweilige Landesflagge auf ihrer Seite der DMZ aufgestellt. In den 80ern hat Südkorea eine fast 100 Meter hohen Flaggenmast aufgestellt, die darauf von der nordkoreanischen Flagge um 60 Meter überboten wurde. Um den Norden nicht weiter zu provozieren wurde die südkoreanische Flagge nicht nochmal erhöht, trotzdem ist dieses Ereignis als der „Flaggen-Krieg“ bekannt. Die nordkoreanische Flagge, auch genannt Ingonggi, die zu diesem 160 Meter hohen Mast gehört, wiegt ca. 270kg und hängt deshalb meisten nur herunter. Wir hatten Glück, dass der Tag windig war, denn so konnten wir beide Flaggen im Wind wehen sehen. Sie zählte beim Bau übrigens als höchster Flaggenmast der Welt.

Neben den Flaggen und dem Grenzgebäude gibt es in der DMZ noch zwei Propaganda-Dörfer, eins auf jeder Seite. Im südkoreanischen Dorf , dem Daeseong-dong (Freiheitsdorf), leben knapp 150 Menschen, jedoch unter sehr strikten Bedingungen. Sie haben eine Ausgangssperre in der Nacht und müssen bei jedem Weg außerhalb des Hauses von Soldaten begleitet werden. Als „Entschädigung“ müssen sie dafür weder Steuern zahlen, noch den Wehrdienst absolvieren. Nordkorea behauptet, dass auch in ihrem Dorf, dem Kijŏng-dong (Friedensdorf), aus bunt bemalten Häusern und blauen Dächern ebenfalls Menschen leben und arbeiten. Allerdings haben die Häuser keine echten sondern nur aufgemalte Fenster und es laufen dort auch keine Menschen herum, weshalb Südkorea es als eine Attrappe bezeichnet. Unser Guide hat für die ganze Reisegruppe Ferngläser mitgebracht, sodass wir uns alle Gebäude und auch die beiden Flaggen genau ansehen konnten. Auch von dieser Plattform durfte man offiziell keine Bilder machen. Da diese Regelung aber nur so halb durchgesetzt wurde, je nachdem ob man gerade von einem Guard beobachtet wurde oder nicht, haben wir hier trotzdem ein Foto von Nordkorea für euch:

Es war sehr merkwürdig dort in dieses fremde Land zu blicken, was durch Sprache, Geschichte und Kultur so eng mit Südkorea verbunden ist, trotz der jahrzehntelangen Trennung.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Beziehung der beiden Länder in den nächsten Jahren entwickeln wird. Laut unserem Guide wurde es immer mal wieder besser und dann wieder schlechter. Es gab immer wieder militärische Provokationen, die sich in den letzten Jahren eher verstärkt als beruhigt haben. Man kann nur hoffen, dass die beiden Koreas eines Tages zu einer gemeinsamen und lange anhaltenden, friedlichen Lösung finden können.
Es ist faszinierend und großartig, dass Ihr es immer wieder schafft, Wissen und Erlebnisse zu einem tollen Artikel zu vereinen. Es macht wirklich Spaß, das zu lesen und dabei immer nochmal was zu lernen. Und für Euch muss es ein sehr beeindruckender Tag gewesen sein.
Super interessant! Vielen Dank Euch beiden!