Gisborne Pt.2 – Eine schöne Gegend mit Problemen
Am 25. August, einen Tag nachdem wir den Raketenstart angesehen haben, ging es gleich weiter auf der Halbinsel, die in der Region „Gisborne“ liegt. Ein großer Teil dieses Abschnitts war reines Fahren, wobei die Aussicht dafür häufig auch sehr gut war. Ein Stop den wir zwischendurch machen konnten war an einem Strand ziemlich im Nirgendwo. Das besondere hier war, dass in dieser Gegend früher ein relativ großer Handelshafen lag. Dementsprechend standen noch einige Gebäude von früher und auch ein Steg. Dieser Steg war etwa 300-400 Meter lang und führte aus einer Bucht hinaus. Leider war er ab etwa der Hälfte des Weges gesperrt, da er langsam aber sicher auseinander fällt und es nicht mehr sicher wäre, diesen aktiv zu nutzen. Trotzdem haben wir hier einige Fischer gesehen, die auch an der Hälfte des Steges noch ganz glücklich gewesen zu sein schienen.
Da gerade Ebbe war, konnten wir auch von unten den Steg ansehen und etwas am Strand längs laufen, was besonders schön war weil in dieser Region fast keine anderen Touristen unterwegs waren. Zwischendurch haben wir nur einen wahren Cowboy gesehen, der mit seinem Pferd am Strand stand. Er hatte sogar den passenden Hut dazu auf!
Als wir noch ein Stück weiter über die Halbinsel gefahren waren erreichten wir eine Gegend, die ein komplettes Kontraststück sein sollte, zu dem was wir sonst bisher so gesehen haben. Auf Google Maps war es eine normale Kleinstadt in einer Bucht, mittendrin sogar mit einem kostenlosen Campingplatz für uns. Als wir dort ankamen hat es gerade stark geregnet, wir sind aber trotzdem noch ein wenig durch die Gegend gefahren. Angeblich sollte es im Norden der Stadt nämlich ein altes Handelskontor geben, was noch als halbe Ruine stehen sollte.
Auf der Fahrt dorthin haben wir dann gesehen, dass die Stadt wohl irgendwann stark in die Armut abgerutscht sein musste. Auch wenn am Wasser noch einige schöne Ferienwohnungen standen, wurde es immer ärmlicher je weiter man landeinwärts fuhr. Die Häuser verwandelten sich schnell zu Schuppen oder heruntergekommenen Wohnwägen und die Gegend brachte ein ungutes Gefühl mit sich. An den Straßenrändern standen ausgeschlachtete Autos, alte Reifen oder Schrotthaufen und hin und wieder sah man einen Menschen durch eins der Fenster der alten Schuppen gucken. Dabei fiel uns schnell auf, dass der absolute Großteil der Einwohner hier Māori gewesen sein muss. Man merkt in Teilen also doch noch, dass die westliche Zivilisation nach Neuseeland regelrecht eingedrungen ist und die Dörfer und Völker, denen das Land ursprünglich Zustand, vertrieben hat. Dazu haben wir auch einiges in den Māori-Museen gelernt, aber in echt zu sehen, was das mit der lokalen Bevölkerung macht, ist nochmal etwas anderes. Zwischendurch haben wir in einem Artikel gelesen, dass die Arbeitslosigkeitsrate unter Māori wohl auch deutlich höher sein soll, als im Durchschnitt Neuseelands. Das macht es also sicherlich nicht einfacher, dieses System zu durchbrechen.
Vor allem war es komisch diese Armut in einer sonst so schönen Umgebung zu erleben. Die Bucht, in der wir uns befanden, war am nächsten Morgen (mit gutem Wetter) ein absoluter Traum: Blaues Wasser, Sandstrand und viel Natur mit Wanderwegen. Eigentlich ein perfekter Retreat für einen Urlaub. Doch mit den ganzen zerfallenden Häusern direkt nebenan verstehe ich auch, dass der Tourismus hier nicht ganz so boomt, wie im Rest des Landes.

Auch beeindruckend in dem Dorf war die Straße – denn auch wenn das sicherlich nichts mit der generellen Armut in der Gegend zu tun hat, war selbst diese total kaputt. An mehreren Stellen hatte wohl das Wasser die Straße untergraben, sodass etwa die Hälfte der Straße Opfer eines Mini-Erdrutsches wurde. So musste man teilweise auf die andere Spur ausweichen, um das riesige Loch mitten in der eigenen Spur zu umgehen. So etwas ist uns noch häufiger auf unseren Fahrten aufgefallen und steht natürlich nicht im Zusammenhang mit dem Dorf, hat aber für das Gesamt-Image auch nicht gerade geholfen.

Als wir am nächsten, etwas sonnigeren Tag wieder weitergefahren sind, haben wir auch sehen können, dass das Erosions-Problem nicht nur auf die kleine Stadt beschränkt ist. Die Straße führte uns einige Kilometer an einem Fluss längs, welcher wiederum durchzogen war von selbstgebauten Dämmen. Diese dienten nicht dazu, das Wasser aufzuhalten, sondern viel mehr das, was darin schwamm. Viele der Dämme im Wasser waren jedoch schon durchbrochen, man kann also nur vermuten wie viel Wasser hier in den letzten Tagen und Wochen runtergekommen sein muss. An den Rändern des Flusses waren fast überall Spuren von Erdrutschen zu erkennen, die umstehende Bäume und Steine mit ins Wasser rissen. Auf großen Teilen der Straße standen Baufahrzeuge, die wohl versuchten, die Straße vor den Erdrutschen zu schützen.
Als wir nach wenigen Stunden Fahrt ganz im Norden der Halbinsel ankamen, bogen wir von der Hauptstraße auf eine kleine Nebenstraße ab, die uns zu unserem heutigen Campingplatz führen sollte. Nach einem kurzen Stück passierten wir dann ein Tor und einige Gitterstäbe auf dem Boden, die Kühe daran hindern sollten, dieses Tor zu überschreiten. Die Straße führte ab hier nämlich mitten über eine Kuhweide! Als Beekes absoluten Traum haben wir für diesen Abschnitt der Strecke natürlich etwas länger gebraucht, unter anderem aber auch weil hin und wieder eine Kuh auf der Straße stand und sich erst überzeugen lassen musste, Platz für uns zu machen.
Nach einem weiteren Tor verwandelte sich die Straße dann in einen Sand- und Kiesweg. Etwas später wurde dieser immer hügeliger und es bahnten sich einige Schlaglöcher an. Nachdem wir dann einen erstaunlich steilen Hügel runtergefahren sind, hatten wir unser Ziel für die Nacht erreicht. Wir standen direkt am Wasser, an einem Steinstrand mitten im Nirgendwo! Neben uns war nur ein anderer Camper da, der aber noch am gleichen Abend wieder gefahren ist. Leider hat es den Abend wieder durchgehend geregnet, dafür haben wir am nächsten Morgen dieses tolle Foto von unserem Auto und dem Stellplatz machen können:

Gleich nebenan stand ein großer Stein, halb am Strand und halb im Wasser, den Beeke natürlich auch sofort erklimmen wollte:

Dieser Stellplatz war wahrscheinlich einer der schönsten und abgelegensten Campingplätze, an denen wir bisher waren. Okay „Campingplatz“ mag ein großes Wort für ein Stück Strand sein, aber für uns hat es völlig ausgereicht! Und morgens mit Aussichten wir hier aufzuwachen wird einfach nie langweilig!
Von hier aus sind wir am nächsten Morgen wieder aufgebrochen. Es ging zurück über den steilen Berg, durch die ganzen Schlaglöcher und wieder über die Kuhweide (bei der wir uns natürlich Zeit gelassen und die Kühe bewundert haben). Daraufhin sind wir an einem Tag die gesamte Westküste der Halbinsel entlang gefahren, zum einen da auf dem Weg kein kostenloser Campingplatz zu finden war und zum anderen weil auf dem Weg auch einfach nicht so viel zu sehen war. Trotzdem hatten wir aus dem Auto noch eine gute Aussicht auf viele Strände und Hügel. Am Abend haben wir wieder einen Campingplatz direkt am Strand finden können und dort einen großartigen Sonnenuntergang genossen. Unser Hauptziel für die Region Gisborne war hiermit erreicht und wir konnten uns auf ein weiteres Erlebnis vorbereiten, was schon seit einer ganzen Weile geplant war. Aber dazu kommt in den nächsten Artikeln mehr!

Ganz schöner Kontrast zu allem Bisherigen…Aber das tut vielleicht dem eigenen Bewusstsein mal ganz gut, um die sonstige Schönheit des Landes und die eigenen Lebensumstände wieder einordnen zu können. Wie gut, dass es Euch gut geht!