Gisborne Pt. 3 – Der namenlose Berg

Am 27. August haben wir nach unserem Roadtrip über Landstraßen und durch die kleinen Dörfer der Region Gisborne wieder die nächste etwas größere Stadt erreicht. Um ganz genau zu sein, liegt Ōpōtiki auch gar nicht mehr in Gisborne, sondern in der „Bay of Plenty“, der Region, die die große Bucht an der Ostküste der Nordinsel umfasst. Wir haben dort mal wieder an einem Stellplatz direkt am Wasser übernachtet und konnten den Sonnenuntergang am Strand verbringen. Dabei hat sogar der Regen einmal ausgesetzt! Gerade von diesen schönen Tagen kann ich einfach nicht genug bekommen, da kann man doch nur verliebt in das Land sein!

Davon kriege ich nie genug!

Am nächsten Tag haben wir, wie so oft, unseren Wassertank wieder aufgefüllt. Bei zwei Menschen gehen 25 Liter erstaunlich schnell weg! Dieses Mal konnten wir unseren großen Kanister aber an einer besonderen Stelle auffüllen: Direkt am Rand einer Landstraße war am ein Wasserhahn, der das Wasser „direkt“ aus einer nahegelegenen Quelle pumpte. Dazwischen wurde es natürlich noch gereinigt und gefiltert, um es dann kostenlos für alle Menschen zur Verfügung zu stellen. Ich muss gestehen, dass ich den Unterschied zu normalem Wasser nicht geschmeckt habe, aber es war trotzdem sehr cool!

Shrimp Thies holt Quellwasser

Erst am 30. August sind wir dann das nächste große Stück gefahren. Erstmal haben wir uns aber ein paar Aussichtspunkte in der größeren Nachbarstadt von Ōpōtiki namens Whakatāne angesehen. Wir haben ein paar hübsche Bilder von der Küste machen können und haben uns dann den Stein, bzw. den ziemlich großen Felsen angesehen, der in der Mitte der Stadt ruht. Er trägt den Namen „Pohaturoa“ und hat für den lokalen Iwi (Māori-Stamm) eine spirituelle Bedeutung. In dem kleinen Torbogen aus Stein wurden Zeremonien abgehalten und seitdem in der Nähe das Treaty of Waitangi von einigen Stammesführern unterzeichnet wurde, hat der Ort auch für die Beziehung zwischen den Māori und den Pakeha (den weißen Siedler:innen/Neuseeländer:innen) eine große Bedeutung. Neben diesen wichtigen historischen und kulturellen Aspekten ist er vor allem eins: erstaunlich groß!

Ein sehr großer Felsen!

Neben dem Stein haben wir außerdem noch eine lange Treppe mit verzierten Treppenstufen gefunden. Beim Hinaufgehen fängt man so quasi in der Tiefsee an und arbeitet sich immer weiter hoch, bis man bei Abbildungen von Vögeln ankommt. Eine ziemlich coole Idee!

Wir sind in der Tiefsee

Noch am selben Tag haben wir die beiden Städte dann hinter uns gelassen und sind nach Tauranga gefahren. Die Stadt ist mit etwas 150.000 Einwohner schon die 5. größte Neuseelands und hat sich nach unserer Zeit in den kleinen Dörfern fast schon angefühlt wie eine Metropole. In der Stadt gibt es wirklich viele Freedom-Campingplätze, was uns natürlich gefreut hat. Trotzdem war es erstaunlich schwer einen Platz zu finden, der nicht bereits belegt war oder merkwürdige Öffnungszeiten hatte. Letztendlich sind wir 15 Minuten außerhalb der Innenstadt fündig geworden. Auf dem Weg von der Innenstadt zu diesem Stellplatz sind wir durch eine Stadt mit einem lustigen Straßennamen gefahren: Bethlehem! Ich muss ja sagen, die Stadtnamen in Neuseeland sind nicht sonderlich kreativ… Am Stellplatz angekommen dachten wir kurz wir wären falsch, da direkt vor uns auf einmal die Straße gesperrt war. Offenbar wurde diese gerade neu geteert und war deshalb für die Öffentlichkeit noch gesperrt. Durch die Sperrung der Straße hatten wir kaum Verkehr und wurden nur von den vorbei rauschenden Zügen gestört, die auf einer Brücke neben uns über den Fluss düsten. Andererseits waren wir dort, mitten im Nichts, auch komplett alleine und das kann natürlich auch etwas gruselig sein! Zum Glück waren wir ja zu zweit, alleine hätte ich die erste Nacht dort vermutlich nicht so entspannt überstanden!

Am ersten September hatten wir, passend zum neuseeländischen Frühlingsanfang, strahlend schönes Wetter! Wir haben die Sonne direkt genutzt und den bekanntesten Stadtteil Taurangas erkundet: Mount Maunganui! Wie der Name schon vermuten lässt, wird dieser Teil vor allem durch den etwa 200 Meter hohen gleichnamigen Berg geprägt. Der Name der Māori für diesen Berg ist „Mauao“, was so viel bedeutet wie „vom Sonnenaufgang gefangen“. Nach der Legende war dieser Berg einst namenlos und verliebte sich in einen benachbarten Hügel. Doch diese hatte ihr Herz schon an den Gott des Waldes verloren und deshalb wollte der namenlose Berg sich im Meer ertränken. Er wurde von seinen Freunden von seinem Platz losgerissen und bis ans Wasser gezerrt, wo das Vorhaben jedoch von der aufgehenden Sonne gestoppt wurde. So wurde einerseits der Fluss geschaffen, der am Berg vorbei ins Meer fließt und so bekam der namenlose Berg dann doch einen Namen! Eine ganz schön dramatische Legende, die wie so oft, eine Erklärung für die Landschaft in der Gegend findet. Solche lokalen Legenden finde ich immer sehr schön, gerade weil man die Auswirkungen der Handlungen immer so gut an den umliegenden Bergen, Flüssen oder Meeren erkennen kann!

Heutzutage ist der Berg ein bekanntes Wahrzeichen von Mount Maunganui und für den lokalen Iwi (Māori-Stamm) immer noch ein heiliger Ort. Das heißt jedoch nicht, dass der Berg nicht zugänglich wäre, eher im Gegenteil! Einmal rund um den Berg führt ein langer Weg und auch auf die Spitze gibt es mehrere Wanderwege. Bei dem schönen Wetter war auf den kleinen Wegen auch sehr viel los. Wanderer, Läufer und einfache Spaziergänger bevölkerten die vielen Wege. Allerdings gab es dort so viele verschiedene Routen, dass es sich schnell verteilt hat und es sich trotzdem nicht zu voll angefühlt hat. Wir sind zuerst auf einem der Wege nach oben gelaufen und hatten schon bald die erste Aussicht über die kleine Halbinsel. Mount Maunganui liegt direkt am Meer und hat an der Küste mehrere wunderschöne Sandstrände. Im Wasser gibt es kleine Inseln und Halbinseln und über all diesem thront der Berg, den wir bei so schönem Wetter erklommen. Ein richtiges Urlaubsparadies!

Wunderschöner Sandstrand

Oben angekommen haben wir eine kleine Pause gemacht und einfach auf die Stadt und das Meer unter uns geblickt. Einerseits war es natürlich sehr sehenswert, andererseits waren wir nach den Wintermonaten so viel Sonne wirklich nicht mehr gewohnt und waren davon ziemlich fertig. Um nicht völlig zu zerfließen, haben wir uns beim Weg nach unten deutlich mehr Zeit gelassen. Als wir endlich unten angekommen sind, waren wir auf der Rückseite des Berges, die nur von Wasser umgeben war und die auf der anderen Seite der Stadt lag. Bevor wir zurück beim Auto waren, hatten wir deshalb noch eine halbe Runde um den Berg herum vor uns. Dieser Weg war jedoch sehr flach und hatte nur wenige Hügel, was ihn zwar einfach, aber nicht weniger schön machte. Im Wasser neben uns waren viele große Felsen und einige von ihnen konnte man sogar über den Steinstrand erreichen. Ich musste natürlich sofort auf ihnen herumklettern und dieses Paradies voll ausnutzen! Am späten Nachmittag sind wir schließlich wieder bei unserem Auto angekommen und haben den Tag in diesem tollen Stadtteil schließlich beendet.

Kleine Wanderung

Der zweite September sollte ein besonderer Tag werden, denn dort haben wir uns das erste Mal seit Reisebeginn für mehrere Tage voneinander verabschiedet. Bevor es dazu kommen sollte, haben wir in der Region von Tauranga jedoch noch eine letzte Sache angesehen. Etwas 20 Minuten südlich von Tauranga liegt die McLaren Falls Park. In dieser Region treffen mehrere Flüsse aufeinander und bilden so eine Landschaft aus kleinen Seen, Teichen und vielen Wasserfällen. In diesem Park kann man Wandern, Kajak & Kanu fahren und gegen eine kleine Gebühr auch Zelten oder Campen. Wir sind in den Park hineingefahren und sind dann einem kleinen Wanderweg gefolgt, der zu einem Wasserfall führte. Auf dem Weg dorthin ist uns eine Schulklasse eines Mädchen-Colleges begegnet, die dort wohl zum Zelten unterwegs war, es muss ziemlich cool sein so etwas einfach in der Nähe zu haben!

Kleiner Wasserfall im Wald

Nach unserer kleinen Wanderung sind wir zurück durch den großen Park gefahren und sind nach mehreren kleinen Stops beim größten Wasserfall angelangt. Der McLaren – Wasserfall entsteht an der Stelle, wo sich alle umliegenden Flüsse und Seen vereinigen und schließlich im Wairoa River (das ist der Fluss, der durch den namenlosen Berg erschaffen wurde) enden. Über die großen Wasserfälle führt eine schmale einspurige Brücke, von der man genau sehen kann, wie das Wasser vom felsigen Flusslauf viele Meter nach unten stürzt.

McLaren Falls

Noch aufregender war jedoch eine Entdeckung, die wir schon nach kurzer Zeit auf dieser Brücke gemacht haben: Zu beiden Seiten der Brücke führen schmale Treppen das kleine Stück zum oberen Teil des Wasserfalls hinunter. Wir sind den Stufen natürlich sofort gefolgt und konnten dann über die großen Felsen und Steine am Fluss entlang klettern. Nach und nach ging es für uns sogar in die Mitte des breiten Wassers und schon standen wir nur wenige Meter vor einem riesigen Wasserfall mitten im Fluss! Die meisten Abstände zwischen den Felsen ließen sich noch leicht überwinden, aber zwischendurch gab es doch auch immer größere Lücken, wo man einfach springen und hoffen musste. An den meisten Stellen war das Wasser nicht so tief, aber ich wollte trotzdem keine nassen Füße bekommen oder mir auf dem steinigen Grund den Knöchel verstauchen. Dazu ist es glücklicherweise auch nicht gekommen, denn wir haben jeden kleinen und größeren Sprung gut überstanden. Dort herum zu klettern hat sich richtig cool angefühlt und ich hatte nach einiger Zeit auch deutlich mehr Vertrauen in meine körperlichen Fähigkeiten. Im Alltag muss man ja nicht so oft springen oder klettern, manchmal ist es deshalb sehr schön festzustellen, was man alles tun kann! Abgesehen davon war der Fluss mit dem Wasserfall natürlich auch eine wunderschöne Landschaft und ich habe mich gefühlt wie in einem meiner Fantasy-Bücher.

Klettern auf dem Wasserfall

Wir waren übrigens auch nicht die einzigen dort, auf den vielen Felsen und Steinen waren auch noch ein paar andere Besucher unterwegs. Eine Familie hatte sogar ihren Hund dabei, da hätte ich ja etwas Angst, dass er weggeschwemmt wird!

Gegen halb vier haben wir den McLaren Park und die zugehörigen Wasserfälle wieder verlassen. Wir waren beide ziemlich aufgeregt und ich konnte mir noch gar nicht richtig vorstellen, wie die nächste Woche so verlaufen würde. Wie bei den meisten Abschieden ging am Ende alles ganz schön schnell. In Tauranga mussten wir noch lange nach einem Parkplatz suchen und dann ging es auch schon zur Busstation. Thies ist schließlich in den Bus nach Auckland eingestiegen, ich bin draußen geblieben. Wenige Minuten später stand ich alleine dort auf dem Bürgersteig und wusste, dass sich das in den nächsten Tagen auch nicht ändern würde.