Gute Städte Schlechte Hostels

Ich war mal wieder eine Weile offline. Diesmal aber leider nicht, weil ich in einer abgelegenen Wüste oder auf einem Berg ohne Internetverbindung war. Dieses Mal hatte ich einfach nicht so viel zu erzählen. Aber jetzt bin ich zurück und kann von meinen letzten Tagen berichten, denn auch wenn ich nicht viel gemacht habe, bin ich doch relativ weit gefahren.

Nach Chefchaouen führte mich meine Route nach Tetouan. Mit knapp 500.000 Einwohnern ist die Stadt ziemlich groß, aber trotzdem sehr leer für Touristen. Der Großteil der Stadt besteht aus Wohnhäusern und vereinzelten Parks, das einzige interessante dort ist die Medina, also die Innenstadt. Angereist bin ich in Tetouan noch zusammen mit Matthi, welchen ich in Chefchaouen kennengelernt hatte. Nachdem wir zusammen mit einer Chinesin, die auch auf einer Reise um die Welt ist und dabei in verschiedenen Hostels und auf Farmen arbeitet, die Stadt ein wenig erkundet hatten, gab es sonst auch nichts mehr wirklich zu tun. Während Matthi also nach einer Nacht gleich abgereist ist, bin ich noch eine weitere Nacht geblieben. Die Zeit habe ich ja, mein Flug geht erst am Montag und ich habe keine weiteren Ziele in diesem Land, die ich unbedingt ansteuern muss.


Von Tetouan ging es weiter nach Tangier. Der Ort war mir bereits bekannt aus der YouTube-Serie „The Race“. Dort geht es darum, dass 5 Teilnehmer in Tangier ausgesetzt werden und schnellstmöglich zurück nach Köln kommen müssen – nur ohne Geld. Ich habe also erwartet, dass ich den ein oder anderen Ort in Tangier aus den Videos wieder erkennen werde. Als ich dann in der Stadt angekommen bin, habe ich gemerkt, dass ich keine Chance habe irgendetwas zu erkennen. In Person ist eine Stadt nochmal völlig anders als in Videos oder Erzählungen und den Eindruck, den ich online von der Stadt bekommen habe, hat sich in keiner Form mit der Realität abgeglichen. Trotzdem war Tangier wirklich nett. Im Vergleich zu den anderen Städten in Marokko wirkt sie sehr europäisch, jedenfalls in einigen Teilen. Es ist auch vergleichsweise sauber dort, was natürlich gleich einen großen Pluspunkt für die Stadt gibt.


In dem Hostel dort habe ich am nächsten Mittag durch Zufall Devid getroffen, er war nämlich auch ein Teil der kleinen Gruppe gewesen, mit der ich in Chefchaouen unterwegs war. Wir haben die nächsten beiden Tage nicht nur Tangier erkundet, sondern auch Asilah, eine Stadt in der Nähe von Tangier. Über Asilah gibt es wirklich nicht viel zu berichten, die Stadt ist klein und süß, hat abgesehen von einem Strand aber auch nicht weiter viel zu bieten. Als wir den Nachmittag dort am Strand verbracht haben, wurden wir von ein paar Marokkanern dazu eingeladen, mit ihnen Fußball zu spielen. Abgesehen davon, dass mir wieder einmal aufgefallen ist, wie schlecht ich bin Fußball bin, war das auf jeden Fall lustig.
In Tangier wiederum sind wir am selben Abend auf ein Musikfestival gestoßen, welches von der Stadt gesponsert und somit kostenlos war. Als erste Band trafen wir auf eine Gruppe junger Männer, die als Frauen verkleidet auf der Bühne (mehr oder weniger) traditionelle Musik machten. In einem Land, in dem die Frauenrechte beschränkt sind auf kochen und nähen hat uns das natürlich sehr gewundert. Meine persönliche Theorie ist, dass das ganze Musikfestival eher neuzeitlich angelegt war und dementsprechend sich auch für Frauenrechte einsetzt. Der darauffolgende DJ war nämlich weiblich und das sogar mit offenen Haaren. Natürlich weiß ich nicht, was das ganze wirklich bedeutet hat, immerhin hatte ich keine Chance die Lyrics zu verstehen. Vielleicht bedeutet das auch gar nichts und die Band hat einfach nur einen Gag gemacht, aber ich fand sie haben sich erstaunlich viel Mühe beim Verkleiden gegeben. Marokkanische Männer in Kleidern, mit Make-up und Perücken sieht man immerhin nicht jeden Tag.

“Kabareh Cheikhats“ in Tanger

Update: Ich habe nachgeguckt. Die Gruppe heißt „Kabareh Cheikhats“. Laut Beschreibung verkleiden sie sich tatsächlich als Frauen, um Ihnen Respekt zu zeigen und die Texte machen darauf aufmerksam, wie viel Frauen in Marokko in den letzten Jahrhunderten beigetragen haben. Auf der einen Seite ist das natürlich beeindruckend und irgendwie mutig, sich so gegen die alten Werte zu stellen, auf der anderen Seite aber auch nicht der beste Weg. Vielleicht ist es ein guter Anfang, aber ich denke dass der Grundstein zu einer ausgeglicheneren Gesellschaft eher im Königshaus gelegt werden muss, denn ohne viel Arbeit wird sich an den Prinzipien hier nichts ändern.

Am nächsten Tag teilten sich die Routen von Devid und mir wieder auf und während er für seinen Heimflug zurück nach Marrakech gefahren ist, ging mein Bus nach Rabat – die Hauptstadt Marokkos. Erstaunlicherweise muss ich der Stadt selbst mehr zusprechen als ich es erwartet habe. Die Erzählungen der Marokkaner über Rabat beschränkten sich meistens auf „nett für einen halben Tag aber mehr nicht“ bis zu „das einzig interessante dort ist der Zug nach Casablanca“.
Der Bus, mit welchem ich gefahren bin, ist erst um 21 Uhr angekommen, was eigentlich kein Problem hätte sein sollen. Laut Karte lag die Bushaltestelle nur zehn Minuten Fußweg entfernt von dem Hostel, genau deswegen hatte ich den extra späten Bus gebucht. Angekommen in Rabat öffne ich also Google Maps, gebe den Namen des Hostels ein und sehe: Drei Stunden und 51 Minuten Fußweg. Offensichtlich war online die falsche Haltestelle angegeben, ich durfte also spontan noch umplanen, wie ich in die Innenstadt komme, ohne mitten in der Nacht noch viel zu laufen oder zu viel Geld für ein Taxi auszugeben. Nachdem ich aber gerade eben noch so den letzten normalen Bus erwischt habe, welcher übrigens pro Fahrt nur fünf Dirham (<50 Cent) kostet, habe ich doch noch den Weg zum Hostel gefunden.

An dem Abend habe ich noch nicht viel von dem Hostel bemerkt, erst am nächsten Morgen ist mir aufgefallen, dass es vielleicht nicht die beste Wahl war, hier gleich mehrere Nächte zu verbringen: Der Schlafsaal ist zu Treppe hin offen, heißt jedes Geräusch im Haus ist gut hörbar und Privatsphäre ist sowieso keine vorhanden. Auf der Dachterrasse ist in einer Ecke auf weniger als einem Meter Platz ein einsames Huhn eingesperrt, um welches sich wohl kaum gekümmert wird. Ein entsprechender Gestank liegt also auf der Dachterrasse. In dem Schlafsaal wohnt Julio, ein Reisender Rentner aus Südamerika. Auch wenn er grundlegend wirklich nett ist, kann er sehr gut sehr lange reden und vor allem schlafen. Das wäre ja kein Problem, wenn er sich nicht jeden Morgen um 8 Uhr, 08:30 Uhr und 09:00 Uhr einen Wecker stellen würde. Und es nicht so, dass dieser jeweils kurz klingelt und alle weiterschlafen, der Wecker klingelt jedes Mal für 10-15 Minuten bevor er doch mal aufwacht und sich entscheidet, lieber auf den nächsten Wecker zu warten. Dass der Klingelton ein Hahnenschrei ist, der sich alle zwei Sekunden wiederholt, macht die morgendliche Erfahrung natürlich auch nicht besser. Das beste an dem Ganzen ist jedoch, dass das Hostel von Ameisen befallen ist. In den meisten Orten stört das natürlich nicht, aber ein Ameisenfreies Bett ist doch ein Luxus, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn hatte. Genau nach diesem Satz habe ich übrigens eine weitere auf meinem Bein entdeckt und ich sitze gerade in meinem Bett. Und da war noch eine auf meiner Hand. Wie gut dass ich heute abreise, so langsam hatte ich meiner Meinung nach genug Ameisen an mir.

Rabat selbst ist aber tatsächlich schön. In den letzten Tagen war ich noch ein bisschen mehr erkunden und muss sagen, auch wenn es nicht ganz so traditionell wirkt wie viele andere Städte, gibt es doch einiges zu sehen. Sei es der Strand inklusive Leuchtturm, ein riesiger Friedhof, Moscheen oder ein Mausoleum, um die Medina rum ist einiges interessantes.

Den gestrigen Abend habe ich damit verbracht, Menschen kennenzulernen. Nachdem ich nach einem Sonnenuntergang am Strand zurück zum Hostel gelaufen bin, habe ich Melker getroffen. Er ist Schwede und nur einen Monat älter als ich, womit er der erste 19-jährige ist, den ich beim Reisen treffe! Durch Zufall will er, genau wie ich, morgen für eine Nacht nach Casablanca. Unser jeweiliges Problem waren die hohen Hostelpreise aber so haben wir zusammen ein AirBnB buchen können, was im Endeffekt deutlich günstiger ist. Nach einem gemeinsamen Abendessen und dem Buchungsprozess im Hostel bin ich dann auf Finn und Salma getroffen. Beide hatten jeweils eine Nacht im Hostel und hätten unterschiedlicher nicht sein können. Salma ist Marokkanerin und hat heute ihren finalen Test, um professionelle Schiedsrichterin zu werden. Leider spricht sie kaum Englisch, wir mussten also auf Französisch reden und sie hat versucht, uns ein wenig Arabisch beizubringen. Finn wiederum kommt aus Berlin und hat sich mit 27 Jahren entschieden, der Gesellschaft den Rücken zuzudrehen. Wenn man es in einem Satz beschreiben müsste, dann „pilgert er gerade auf der Suche nach Religion“. Von Berlin ist er innerhalb von fünf Monaten durch Deutschland, Frankreich und Spanien gelaufen. Den ganzen Weg bis nach Rabat. Was er in der Zwischenzeit gemacht hat weiß ich nicht, aber aktuell liest er den Koran und lernt Arabisch, um herauszufinden ob er sich dem Islam anschließen möchte. Ausgestattet mit einem Wanderstock, einem Wörterbuch und einem Tagebuch ist er so auf dem Weg nach Marrakech. Ein Zeitlimit für die Reise hat er nicht und schläft meistens nicht in Hostels sondern in der Natur. Vernetzt mit Freunden oder der Familie ist er fast ausschließlich über Briefe.
Was jetzt vielleicht im ersten Lesen komisch klingen mag, merkt man ihm persönlich überhaupt nicht an. Klar, als er mit langem Bard und Wanderstock in das Hostel kam, habe ich mir schon gedacht, dass seine Geschichte etwas besonderer ist als andere, aber im Gespräch ist er noch immer ein typischer Berliner und wirklich sympathisch.

Mein Plan, der ja doch etwas sozialer ist, neigt sich so langsam tatsächlich dem Ende zu. In wenigen Stunden geht der Zug nach Casablanca, was mein letzter Stop in Marokko sein wird. Eine Nacht in dem AirBnB bleibt mir auch noch, bevor die nächsten beiden Nächte voraussichtlich deutlich unangenehmer werden. Aber dazu schreibe ich bald nochmal mehr. Auch wird das hier nicht der letzte Beitrag zu Marokko sein, spätestens am Flughafen oder im Flugzeug schreibe ich nochmal etwas. Vorher beschwere ich mich noch etwas bei meinen Ameisen und genieße die letzte Inlandsfahrt.

Bis dahin!