Hobbiton – Nach Mittelerde und zurück
In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit…
So beginnt eines der (meiner Meinung nach) besten Fantasy-Bücher, die wir als Erdenmenschen so lesen dürfen: Der (kleine) Hobbit! Wer mit diesem Buch nicht vertraut ist, sollte es vor dem Lesen diesen Artikels einfach ganz kurz mal nachholen. Es wird sich lohnen, versprochen! Meine erste Reise nach Mittelerde begann mit meinem Papa zusammen, der mir das Buch vor einigen Jahren vorgelesen hat. Seitdem habe ich es selbst noch mehrmals gelesen und mich dann später auch an die große Geschichte des Herrn der Ringe herangetraut. Die Filme zu diesen Büchern wurden unter anderem hier in genau diesem Land gedreht, wo wir uns gerade befinden. In den letzten Monaten sind wir schon an vielen ehemaligen Drehorten vorbei gekommen und mussten feststellen, dass sehr viele Orte in Neuseelands sich als Drehort eignen würden. Aber manche Orte bestehen nicht nur aus markanten Bergen, Wasserfällen oder Wäldern, sondern haben sich seit den ersten Dreharbeiten noch weiter verändert. Einer dieser Orte ist ohne Frage ein kleines Dorf, bewohnt von kleinen Wesen mit haarigen Füßen, dass in den Büchern eine besondere Rolle spielt: Hobbingen.
In der Originalversion (also auf Englisch) heißt die kleine Stadt Hobbiton, daher werde ich sie auch im folgenden Artikel so nennen. Die Kulisse für dieses idyllische Fleckchen Mittelerde wurde in der Nähe der Stadt Hamilton gebaut und wurde als weiterlebendes Stück Filmgeschichte nach dem Dreh des Hobbits einfach dort stehen gelassen. Schon während der Dreharbeiten für den Herrn der Ringe war der Drehort an dieser Stelle, danach hatte man das Dorf jedoch wieder abgebaut. Zum Glück haben die Filmmenschen es sich nach dem zweiten Bau für den Hobbit aber anders überlegt und die Filmkulisse stehen gelassen! Heutzutage gibt es dort viele verschiedene Touren und Führungen, die man auf dem Gelände buchen kann und diese Chance konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Am frühen Morgen des 19. September sind wir von unserem Stellplatz losgefahren und um kurz vor neun auf dem Gelände des Sets angekommen. Auf dem Weg dorthin fährt man über grüne Hügel, die zu unserem Glück von warmer Frühlingssonne angestrahlt wurden, vorbei an vielen Weideflächen mit Schafen und wenigen Kühen. Durch ähnliche Landschaften sind wir schon oft gefahren und auch dieses Mal musste ich – dieses Mal ja sogar begründet – an das Auenland denken.
Direkt um neun ging es auch schon los. Gemeinsam mit etwa 30 anderen Menschen sind wir in einen großen Reisebus gestiegen und sind die letzte Viertelstunde über das Gelände zum eigentlichen Set gefahren. Dabei haben wir auf einem Bildschirm die bekanntesten Filmszenen aus dem Auenland geguckt und haben natürlich auch unserem Guide zugehört, der die eine oder andere interessante Anekdote von den Dreharbeiten erzählt hat.
Als wir endlich aussteigen konnten, waren wir umgeben von kleine Bäumen, kniehohen Zäunen und hügeligen Wiesen – also erstmal nichts ungewöhnliches. Nur das Schild in der Mitte des Sandplatzes ließ vermuten, was auf uns zukommen würde, denn auf diesem stand in der typischen verschnörkelten Schrift: hobbiton! Nach einer kleinen Einweisung unseres Guides (bitte auf den Wegen bleiben und nichts kaputt machen, aber gerne anfassen und fotografieren) sind wir um die letzte kleine Kurve gegangen, die uns vom Auenland trennen sollte.

Vermutlich romantisiere ich den ganzen Tag etwas, aber als riesiger Fan des ganzen Herr der Ringe – Universums war es einfach eine ganz besondere Erfahrung! Vor uns lagen wieder saftig grüne Hügel und kleine Büsche, aber dieses Mal gab es einen erheblichen Unterschied: Überall waren kleine, bunte und vor allem runde Türen zu sehen! Insgesamt sind auf dem Gelände 44 einzelne Häuser in die Hügel eingebaut und der erste Blick von unten im Tal nach oben zu den oben gelegenen Höhlen und den vielen bunten Türen war einfach magisch! In der nächsten Stunde hatten wir einfach viel Zeit über die kleinen Sandwegen zu spazieren und die vielen bunten Häuser zu bewundern. Dabei muss ich nochmal betonen, wie unfassbar vielseitig die einzelnen Höhleneingänge waren. Obwohl man in die wenigsten der Häuser hinein gehen konnte (hinter den meisten Türen befand sich auch einfach nur eine Art Schrank), konnte man nur an den kleinen Vorgärten oder den Dekorationen in den Fenstern erkennen, was für eine Familie dort lebte. Manche hatten wunderschön angelegte Gärten und die Werkzeuge dazu, in anderen standen Bienenstöcke oder Fischersachen. Wir haben Körbe mit Wolle gesehen oder Fenster, die mit süßen Blumensträußen verziert waren. Viele Hobbits hatten Stühle oder Picknickkörbe im Vorgarten, wieder andere hatten ihre winzige Wäsche auf langen Leinen aufgehängt. Zwischen den einzelnen Häusern führte ein Sandweg einmal durch das ganze Dorf. In der Mitte der Wege lagen groß angelegte Gemüsegärten, bunte Blumenwiesen, standen Bienenstöcke oder flossen einfach kleine Teiche und Seen.

Jedes einzelne der kleinen Behausungen war so detailliert und zeitaufwendig gestaltet, dass man nicht nur wirklich das Gefühl hatte jeden Moment einem Hobbit gegenüber zu stehen, sondern auch noch erkennen konnte, welcher Arbeit und welchen Hobbys die jeweilige Bewohner nachgingen.

Ein Highlight dieser geführten Tour war natürlich Beutelsend. Die Höhle von Bilbo und Frodo lag ganz oben auf dem höchsten Hügel und lag malerisch unter dem großen Baum, ganz wie in den Filmen! Mittlerweile ist der Baum aber nicht mehr echt, da der Baum für das Filmset an einem anderen Ort gefällt und dann dorthin gebracht wurde. Natürlich faulte er dann und musste für den Dreh der nächsten Filme durch eine künstliche Variante ersetzt werden. Dafür wurde jedes einzelne Blatt per Hand bemalt und angeklebt, eine ganz schöne Arbeit also! Dafür wurden Studenten einer benachbarten Theaterschule angeworben, das muss eine richtig Fleißarbeit gewesen sein! Es scheint sich aber gelohnt zu haben, denn nun kann man kaum noch erkennen, dass es sich bei dem wohl bekanntesten Baum des Auenlandes nur noch um eine Attrappe handelt! Im Vorgarten von Beutelsend und bei allen anderen Türen haben wir natürlich Dutzenden Bilder gemacht, um diesen magischen Ort nicht zu vergessen!

Nur ein paar Schritte weiter standen wir vor dem Festplatz des Dorfes. Bei den Dreharbeiten hat man einfach Menschen aus den umliegenden Dörfern angeworben, die sich zu Tausenden als Statisten beworben haben. Um alle bei Laune zu halten gab es Bier aus einer lokalen Brauerei für die Erwachsenen und große Tische mit Kuchen für die Kinder, denn es wurde die ganze Nacht gedreht und es sollte dabei niemand einschlafen. Dieses ganze Prozedere mit den Kostümen, Masken und den abschließenden Dreharbeiten hat man offenbar drei Tage hintereinander abgehalten, bis alle Szenen abgedreht waren. Die Kinder waren dank des Zuckerschocks auch um vier Uhr morgens noch wach und die Erwachsenen waren nach mehreren Stunden mit den großen Bierfässern auch ordentlich angeschwipst und haben im Hintergrund der Filme für ordentlich Party-Stimmung gesorgt. Erst nach den Dreharbeiten wurde ihnen erzählt, dass es sich bei dem Getränk um eine Sonderbestellung handelte, in der kaum Alkohol war, und sie dementsprechend gar nicht betrunken waren, sondern sich das nur selbst vorgespielt hatten. Einige Statisten haben den Regisseuren diesen Streich wohl etwas übel genommen, aber die Geschichte eignet sich hervorragend, um sie bei den Führungen an genau demselben Festplatz zu erzählen.

Nach der sehr hübschen gelben Tür der Hobbithöhle von Sam und Rosie standen wir vor den einzigen zwei Behausungen, in die man auch hinein gehen konnte. Unsere Gruppe wurde aufgeteilt, damit es in den Häusern nicht so voll werden würde. Einer nach dem anderen sind wir also durch den hübschen kleinen Vorgarten und dann durch eine runde Eingangstür in dem kleinen Hügel vor uns verschwunden. In der nächsten Viertelstunde musste Thies gebückt laufen, denn die Deckenhöhe war ausgelegt auf 80% der menschlichen Durchschnittsgröße – also definitiv zu klein für ihn! Für mich war die Größe tatsächlich perfekt und ich musste mich selbst an den runden Türrahmen nicht ducken! Hobbit zu sein hat also schon Vorteile…
Im Inneren haben wir uns in einem kleinen Höhlenlabyrinth wieder gefunden. Hinter jedem offenen runden Durchgang wartete ein weiteres liebevoll eingerichtetes Zimmer auf uns. Die Decke wurde von Holzbalken gestützt, die Wände waren mit einer Art Lehm geformt und ebenfalls durch Holzbalken verstärkt. Die ganze Einrichtung hat mich etwas an Mittelalter-Dörfer erinnert, denn alle Tische, Stühle, Schränke, Küchengeräte und selbst die Fensterbänke waren aus geschnitztem und selbst geschreinerten Holz. Kein Stuhl sah wie der andere aus, denn wie es sich in einer echten Hobbithöhle gehört, waren alle Möbel selbst gemacht. Abgesehen von der etwas altertümlichen Einrichtung und der Abwesenheit von jeglicher Form von Elektrizität, war die Höhle jedoch sehr mit einem gewöhnlichen Wohnhaus zu vergleichen. Im großen Schlafzimmer hingen Mäntel und Jacken im Kleiderschrank, das Kinderzimmer war gefüllt mit Spielzeug aus Holz, an den Wänden hingen Bilder zu Bestimmung von Pilzen und im Badezimmer lag die neueste Dorf Zeitung. Es gab ein Wohnzimmer, eine Küche, eine Vorratskammer (sehr wichtig!) und alles andere, was eine kleine Hobbitfamilie eben brauchen könnte. Ich würde gerne ewig so weiter machen, aber ich kann das Gefühl einer behaglichen Hobbithöhle einfach nicht so gut rüberbringen, wie es Tolkien gelungen ist. Vielleicht können euch ein paar Bilder da ja weiterhelfen!

Am schönsten war jedoch, dass man mit Allem interagieren konnte! Denn wie schon unser Guide am Anfang sagte: „Das hier ist ja kein Museum!“ Wir konnten uns in die Betten legen, an den großen Esstisch setzen, das Obst in der Vorratskammer anfassen, im Wohnzimmer ein Brettspiel spielen und aus den kleinen halbrunden Fenstern nach draußen blicken. Eine behagliche Hobbithöhle so nah erleben zu können, war für mich ein wahr gewordener Traum, den ich eigentlich gar nicht mehr verlassen wollte. Leider waren wir ja nicht die einzige Besuchergruppe in Hobbiton, deshalb mussten wir die Höhle schon bald wieder verlassen und an den nächsten Ort ziehen.

Zum Glück musste ich jedoch nicht allzu lange um den Verlust trauern, denn auch unser letzter Punkt auf der Führung war einfach nur wundervoll! Denn neben den beiden Hobbithöhlen gibt es noch ein drittes Haus, was man auf dieser Reise durch Hobbiton betreten durfte. Dabei handelte es sich um das Gasthaus „Zum Grünen Drachen“, also „The Green Dragon Inn“, welches auch in den Büchern ein beliebter Ort zum Treffen, Trinken und Feiern ist. In diesem Gasthaus durften wir uns die letzte halbe Stunde aufhalten. Jeder Besucher durfte sich ein Getränk aussuchen und obwohl wir beide unsere Pässe und damit den Beweis unserer Volljährigkeit im Auto vergessen hatten, wurde uns neben dem alkoholfreien Ginger-Beer auch ein alkoholhaltiger Apple-Cider gegeben. (Offenbar sieht Thies auch ohne Ausweis alt genug aus, sehr praktisch!) Beide Getränke waren wirklich lecker und wir haben uns zur Feier des Tages auch noch einen sehr leckeren Muffin gegönnt. Bei dem Anblick der kleinen Brücke über die wir gekommen waren, der alten Mühle ein kurzes Stück dahinter und dem geschwungenen Fluss, der neben uns entlang floss, hat das alles noch gleich viel besser geschmeckt. Am Wasser stand eine große Weide und um den Grünen Drachen herum hingen Girlanden aus bunten Lampions.

Als wir um viertel nach elf das Gasthaus wieder verlassen mussten, haben wir uns ein letztes Mal nach Hobbiton umgedreht, haben die geschwungenen Hügel mit den vielen kleinen Türen bewundert und ich habe mir vorgenommen eines Tages dorthin zurück zu kehren. Bevor wir wieder in den Bus gestiegen sind, haben wir aber noch ein kleines Geschenk bekommen. Dafür muss man wissen, dass zu der Zeit unseres Besuchs gerade Bauarbeiten auf dem Gelände waren. An einer Stelle wurden neue Türen gebaut oder die Gärten wurden verbessert, ich weiß es tatsächlich gar nicht genau. Wir haben davon wirklich nicht viel mitbekommen und unsere tolle Erfahrung dort war davon definitiv nicht gemindert worden. Trotzdem hat jeder Besucher, der zur Zeit der Bauarbeiten nach Hobbiton kam, einen Becher geschenkt bekommen, sozusagen als Entschädigung für mögliche Einschränkungen. Für uns war das natürlich eine Win-Win Situation, wir haben einen Becher mit der Aufschrift „The Green Dragon“ und wir haben trotzdem ziemlich die normale Führung über das Gelände mitmachen können. Jetzt müssen die beiden Becher nur noch die nächsten Monate und Flüge der Reise überstehen, damit wir sie auch in Deutschland noch nutzen können. Wir werden unser Bestes geben!
Im Bus hatte ich vor allem ein Gefühl: Trauer darüber, dass Menschen in so langweiligen normalen Häusern leben müssen. Das ganze Dorf wirkte so hübsch, idyllisch und einladend, dass ich am liebsten in eine der Höhlen eingezogen wäre. Die runden Türen sind auch viel cooler, eckige Türen kann ja jeder haben! Aber auch mit dem Gedanken vorerst in normalen Menschenhäusern leben zu müssen, war dieser Morgen ein voller Erfolg. Ich konnte mir vorher gar nicht vorstellen, wie echt und hobbitig sich dieses kleine Dorf anfühlen würde und ich habe mich dort vom ersten Moment an wohl gefühlt. Vielleicht war ich in einem anderen Leben mal ein Hobbit, das würde mir auf jeden Fall sehr gefallen!
… Nicht in einem schmutzigen, nassen Loch, in das die Enden von irgendwelchen Würmern herabbaumelten und das nach Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa in einer trockenen Kieshöhle, die so kahl war, dass man sich nicht einmal niedersetzen oder gemütlich frühstücken konnte. Es war eine Hobbithöhle, und das bedeutet Behaglichkeit. – J.R.R. Tolkien
„Mehr kann darüber nicht gesagt werden“ – das ist der letzte Satz aus „Herr der Ringe“. Und dieser Artikel ist so schön, da kann ich gar nicht mehr dazu sagen. Wirklich zauberhaft!
😍 ich zieh mit Dir dorthin! Es sieht zu schön dort aus.