Jakarta

Neuer Artikel, neues Land. In letzter Zeit ging es wirklich Schlag auf Schlag, von Japan nach Südkorea nach Singapur und jetzt: nach Indonesien! Ein Land, auf das ich mich schon lange freue, von dem ich aber ehrlich gesagt auch gar nicht so richtig Ahnung habe. Das einzige was ich kenne, ist das Touristenparadies Bali, doch bis wir dort ankommen haben wir noch eine ganze Weile Zeit. Am 23.04.2025 sind Beeke und ich in Jakarta angekommen – der Hauptstadt Indonesiens. Von dort aus werden wir in den nächsten Wochen mit dem Bus über verschiedene Städte bis nach Denpasar auf Bali fahren. So kriegen wir nicht nur einen Eindruck von dem überfüllten Strandparadies, sondern auch von der tatsächlichen Lebensweise der Menschen in diesem Land.

Wir wussten bevor wir angereist sind tatsächlich gar nicht, dass Jakarta die zweitgrößte Metropolregion der Welt ist, kurz hinter Tokyo. Im Jahr 2022 haben dort 33,9 Millionen Menschen gelebt, das sind ganze 2,7 Millionen Menschen mehr als in 2022. Die Stadt wächst so schnell, dass prognostiziert wird, dass sie in den nächsten Jahren Tokyo überholen und somit zum meist-besiedelten Ort der Erde ernannt wird.
Das ganze ist jedoch viel problematischer als man so denken würde. Denn Jakarta ist eine absolute Problemstadt, gefüllt mit Armut, Überbevölkerung und Protesten. Außerdem versinkt die Stadt wegen fehlender Wartung der Flutschutz-Wände im Wasser, einige Viertel sinken pro Jahr sogar bis zu 25cm und werden so früher oder später völlig überflutet werden.

Unsere Erfahrung mit Jakarta sollte auch eine ganze besondere werden. So wie wir hier empfangen wurden, hätten wir es uns niemals erträumen können – sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne.

Obertrommlerin Beeke

Als wir das erste Mal das Flughafengelände verlassen hatten, waren wir direkt begeistert von den unfassbar günstigen Preisen, die wir vorher so vermisst hatten. Singapur war zwar ein guter Mittelweg gewesen, nicht zu teuer aber auch nicht gerade günstig, aber die Preise aus Thailand und Laos sind uns doch einfach in Erinnerung geblieben. Das erste Mal zeigte sich das bei der Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel. Diese bestellten wir über die App „Grab“, die in etwa so ähnlich funktioniert wie Uber. Man bestellt sich ein Taxi zur aktuellen Position und hat dadurch den Vorteil, dass einem der Fixpreis für die Strecke schon vorher angezeigt wird.
Für die eine Stunde Fahrt, die wir vom Flughafen zum Hotel brauchten, haben wir 3,59€ pro Person gezahlt. Ich wiederhole, eine Stunde Fahrt. Traumhaft.
Genauso war es dann auch der Fall mit dem Hotel. Wir hatten einen Privatraum mit Privatbad, 24/7 Rezeption und einen Einkaufsladen keine zehn Meter von der Tür entfernt für ganze 6,67€ pro Nacht.

Einen Nachteil gab es daran aber auch: Unser Hotel lag direkt an der Grenze zu einer der ärmeren Gegenden der Stadt. Zur einen Seite war eine große Straße, zur anderen Seite enge Gassen, offen liegende Abwasserkanäle, Schmutz und Müll zum Überfluss und Ratten, die sich durch die Gassen trieben. Die Menschen dort sahen entsprechend mitgenommen aus, hatten oft nur wenig Kleidung an und saßen meistens nur in der Gegend rum, ohne etwas zu tun. Dabei wurden wir, wenn wir denn mal in diesem Viertel unterwegs waren, so sehr angestarrt wie noch nie. Das haben wir in Südkorea zwar auch schonmal geschrieben, aber das hier war ein völlig anderes Niveau. Jeder, aber auch jeder einzelne Mensch hat uns angesehen. Viele der älteren Menschen haben oft böse geguckt und gestarrt, manche Menschen haben uns aber auch zugelächelt oder einen Daumen nach oben gegeben. Viele der Kinder, die wir gesehen haben, sind extra zu uns gelaufen um uns ein High Five zu geben oder „Hello Mister“ zu rufen (das Wort „Misses“ oder „Ma‘am“ kannten sie wohl nicht). In diesen Straßen waren wir also mit Abstand die Hauptattraktion und möglicherweise sogar das Highlight der Woche.
Diese Mentalität sollte sich jedoch auch noch in der weiteren Zeit durchziehen, selbst in den nicht ganz so armen Gegenden der Stadt. An einem Tag haben wir uns beispielsweise die größte Moschee Südostasiens angeguckt. Sie ist auch die drittgrößte Moschee der Welt und kann bis zu zwei Millionen Menschen Platz bieten! Die Moschee durften wir unter einer kleinen Führung sogar persönlich betreten und von einem Balkon aus in die große Halle hineingucken. Auch wenn sie in der Mitte eine Unterteilung hatte, um Männer und Frauen beim Beten zu trennen, war sie unglaublich riesig, auf einem Niveau, das man fast gar nicht verstehen konnte. Ich habe ja auch die Moschee in Casablanca besucht und auch wenn diese zwar höher war und von einem Dach profitiert, das man öffnen kann, war der Innenraum vom Gefühl noch einmal ein ganz anderer. Es hat auch noch einmal geholfen, das wohl aktuell eine Ausstellung in der Moschee ist, zu welcher ein sehr sehr alter Koran aus Saudi-Arabien eingeflogen und ausgestellt wurde. Das hieß, dass zigtausende Gläubige durch die Tore der Moschee geströmt sind um das Buch mit eigenen Augen zu sehen. Es war wirklich beeindruckend, wie viele Menschen so ein Schriftstück anziehen kann.

Riesige Moschee

Lustig war jedoch auch, wie wir an der Moschee angekommen sind. Um dem Verkehr zu entgehen, haben wir über die App „Grab“ jeweils einen Roller bestellt, mit dem wir dann zur Moschee gefahren wurden. Beeke‘s Fahrer war dabei schneller und sie kam etwa zwei Minuten vor mir an. Als ich am Haupttor der Moschee abgesetzt wurde, war ich dann erst einmal verwirrt, denn Beeke war nirgendwo zu finden. Nach sehr kurzer Zeit wurde ich jedoch von einer Gruppe Frauen angesprochen, die alle gleich angezogen waren und wohl auf dem Weg in die Moschee waren. Okay, ich muss mich korrigieren – ich wurde nicht angesprochen, ich wurde regelrecht in die Mitte der ca. Zwanzigergruppe gezogen, während laut „FOTO FOTO“ gerufen wurde. Ich fand mich als schnell in einem Selfie-kreis der Frauengruppe wieder, während Gruppenbilder und Einzelbilder am laufenden Band gemacht wurden. Die Chance habe ich genutzt und selbst ein paar Bilder mit den Frauen gemacht, das ganze sah dann so aus:

Das Highlight der Stadt!

Nach wenigen Minuten habe ich tatsächlich Beeke entdeckt – sie war genauso wie ich in einer Gruppe muslimischer Frauen gefangen und wurde als Foto-Attraktion genutzt. Wir haben dann schnell den Weg zueinander gefunden und noch ein paar Fotos zusammen gemacht, bevor wir uns endlich einen Weg in Richtung der Moschee bahnen konnten. So welche Erfahrungen, in denen wir plötzlich die Hauptattraktion auf der Straße waren, hatten wir tatsächlich häufiger. Auch wenn es meistens irgendwie lustig war, wurde das auch schnell einfach viel und überfordernd, von allem Menschen als Foto-Gelegenheit gesehen zu werden.

Dort angekommen wurden wir erst von einer großen Gruppe Kinder (wahrscheinlich Schüler) angesprochen und danach von zwei Eltern mit ihrem Kind in einem Kinderwagen an der Seite. Anstatt ein Foto zu machen, baten diese uns jedoch ein Stück von ihrem Kuchen an und fragten uns, wo wir herkommen. Das ganze war kein langes Gespräch, dafür aber ein sehr sehr leckerer Kuchen und eine tolle Demonstration der Gastfreundschaft, die grundlegend in diesem Land herrscht.

Auf der Taxifahrt vom Flughafen zu unserem Hotel hatten wir darüber bereits ein Gespräch mit unserem Fahrer: Er meinte, die Gastfreundschaft in diesem Land ist toll, es gibt aber auch Situationen und Menschen die man auf jeden Fall vermeiden sollte. Dies ist uns auch sehr schnell aufgefallen, denn an so gut wie jeder Kreuzung, die wir überquerten, standen Menschen in der Mitte, die den Verkehr regelten. Diese waren keine Polizisten oder ähnliches, sondern einfach Menschen, die sich das selbstständig als Job gemacht haben. Klingt vielleicht nett, leider steckt da jedoch auch viel Kriminalität hinter. Denn aus jedem abbiegenden Auto erwarteten diese Menschen eine kleine Anerkennung ihrer Arbeit in Form eines Geldscheins. Das ganze gilt auch für‘s Ausparken, solange irgendeiner Indonesier dir dabei hilft, wird er garantiert Geld erwarten. Gibt man jedoch kein Geld, aus welchem Grund auch immer, kann man erwarten, dass das Auto schnell mit einem Schlüssel zerkratzt werden wird. Die selbsternannten Verkehrsregler sind dabei wohl knallhart und werden jedes Auto, dessen Besitzer den inoffiziellen Straßenregeln nicht folgen möchte, auch dementsprechend markieren.

Dann gibt es auch noch ein ähnliches Prinzip an Ampeln. An den allermeisten vielbefahrenen Ampeln auf Java stehen Perfomer – Tänzer, Sänger, Feuerspucker oder ähnliches. Bei jeder Rotphase fangen sie an zu performen, klappern danach die Autos ab und hoffen auf Spenden. Sie zerkratzen immerhin keine Autos, aber lukrativ wirkt das ganze trotzdem. Von dem, was wir beobachtet haben, gibt etwa jedes dritte Auto auch tatsächlich eine Spende ab. Es sind jedes Mal nur wenige Cent, aber das summiert sich natürlich. Es scheint hier einfach zur Kultur dazuzugehören, bedürftigen Menschen auch tatsächlich zu helfen. Ich kann mir ganz sicher nicht vorstellen, dass alle der Fahrer auch tatsächlich die Ressourcen haben, etwas Geld zu geben, aber da es so sehr in den Straßenverkehr zu gehören scheint, haben sie vielleicht einfach keine andere Wahl. Vielleicht hat das ganze auch mit der Religion zu tun, da kenne ich mich aber zu wenig aus.

Wer ist größer?

Wenn man die schwierigen Gegenden in Jakarta vermeidet (und einfach kein Auto mietet), verschwindet die Kriminalität jedoch auch schnell im Hintergrund. Ansonsten ist die Stadt tatsächlich gar nicht mal so spannend. Sie ist offensichtlich nicht für Touristen gebaut und beherbergt einfach sehr sehr viele Indonesier in ihrem alltäglichen Leben.
Eins der spannenderen Dinge, die wie noch besucht haben, war das Unabhängigkeitsdenkmal in der Stadtmitte. Mit einer Höhe von 137m bietet sich von hier aus eine gan besondere Aussicht auf die Stadt, die wir auch sehr genossen haben. Mal aus dem Verkehrslärm und dem ganzen Smog rauszukommen war gar nicht so schlecht. Außerdem haben wir dabei noch etwas gelernt, denn dieses Denkmal steht nämlich für die unglaubliche Geschichte Indonesiens und wurde dem Land von einer der Kolonialmächte geschenkt, die zwischendurch Teil des vielen Kriegs hier waren: Den Niederlanden. Indonesien war auch schon von so einigen anderen Mächten besetzt, als letztes sogar von Japan, aber die niederländische Kultur ist die, die am ehesten geblieben ist. Abgesehen von dem großen Denkmal und dem dazugehörigen Museum gibt es auch noch viele typisch niederländische Häuser und sogar ganze Viertel. Einmal haben wir die alte Stadtmitte besucht, die im originalen Handelskontor gebaut wurde. Dort werden sogar die klischeehaften Fahrräder vermietet, damit man in Klein-Niederlande eine Runde drehen kann.

Niederlande in Indonesien

Im Endeffekt waren wir relativ lange in Jakarta, etwa 1,5 Wochen. Davon haben wir aber auch viel Zeit genutzt um uns mal wieder auszuruhen, an das Essen und das Klima anzupassen und herauszufinden, wie man mit den Menschen und der Kultur klarkommt. Das ganze ist bei jedem einzelnen Länderwechsel eine kleine Herausforderung, dieses Mal aber mehr als sonst. Nachdem wir über zwei Monate nur in reicheren Ländern waren, war die Armut hier vor Ort mal wieder eine unangenehme Erfahrung. Wir haben es beide als kleinen Kulturschock wahrgenommen, weil sich Indonesien halt doch noch einmal ordentlich von dem Rest von Südostasien unterscheidet.

Am Ende ist das aber auch der Grund, warum wir überhaupt unterwegs sind: Die immer wiederkehrenden Mini-Kulturschocks, die einem zeigen, wie vielfältig die Welt doch ist. Die Armut, die sich durch so viele Länder durchzieht, die einem immer wieder aufs neue bewusst macht, in was für einer tollen Umgebung man doch aufgewachsen ist. Die Gastfreundschaft, durch die man sich doch überall willkommen fühlt. Und am Ende ist es einfach die Lust am Entdecken und Erkunden, die uns auf dem Weg hält. Es kommt auch bei uns hin und wieder mal das Thema auf, was denn eigentlich wäre, wenn man jetzt zurück in Deutschland wäre. Am Ende bin ich aber doch immer froh hier zu sein, diese großartige Chance zu nutzen und einfach die Welt zu erkunden.