Kulturschock

So schnell geht es. Ich habe das erste Land meiner Weltreise abgeschlossen, habe alles in Portugal gesehen, was ich mir vorgenommen habe und befinde mich nun in Marokko. Nun fast. Denn erstmal fange ich hier mit der Ankunft am Flughafen Agadir an. 

Für den Kontext: Alle Flughäfen, an denen ich bisher aktiv war, sind Hamburg, London und Malta. Malta ist vielleicht kleiner, aber immernoch touristisch genug, dass es kein kleiner Flughafen ist. Ihr könnt euch also vielleicht meine Überraschung vorstellen, als im Flughafen Agadir mitten auf dem Rollfeld aus dem Flugzeug gestiegen bin und am gesamten Flughafen nur vier Flugzeuge standen.


Von unserem Flugzeug aus sind wir dann zum Eingang des Flughafens gelaufen, wo wir direkt von zwei Wachen der Nationalgarde erwartet wurde – beide mit Maschinengewehren vor der Brust. Ich hatte mir den ersten Eindruck von Marokko zwar anders vorgestellt, aber das war bestimmt nur eine Ausnahme. Dachte ich. Im Flughafen durfte ich dann noch einmal meinen Reisepass vorzeigen und habe meinen ersten Stempel bekommen. Leider, aus welchem Grund auch immer, hat sich der Mensch mit dem Stempel dazu entschieden, ebendiesen Stempel auf Seite 31 von 32 zu setzen – völlig entgegen jeder Ästhetik. Nach der Passport Kontrolle konnte ich jedenfalls meinen Koffer vom Band abholen. Ich habe mich kurz neu organisiert und dann auf den Weg Richtung Ausgang gemacht. Vorher aber durfte ich meinen Rucksack noch einmal durch eine Security Schleuse geben und selbst durch einen Scanner laufen – als hätte ich das nicht schon am Abflughafen getan. Hinter dieser Kontrolle stand dann ein Polizist, welcher sich noch einmal meinen Reisepass angesehen hat. Gleich hinter diesem Polizisten stand dann noch einmal zwei mit Maschinengewehren bewaffneten Soldaten der Nationalgarde und dann – endlich – war ich aus dem Flughafen raus. Nur war das genau der Moment, in dem mir auffiel, dass ich noch gar kein marokkanisches Bargeld besitze. Und logischerweise kann man in Bussen nicht mit Karte zahlen. Also der ganze Spaß nochmal, direkt am Haupteingang des Flughafens war nämlich noch eine Sicherheitskontrolle. Rucksack ab und aufs Band, ich durch den Scanner, Rucksack wieder auf, an der Nationalgarde vorbei und ab zur nächsten Bank. Dort habe ich dann erstmal 100€ gewechselt und dafür ungefähr 1050 Dirham bekommen. Zum Glück lässt sich die Währung mit x10,78 ganz gut umrechnen. Eine Busfahrt vom Flughafen ins Stadtinnere später war ich nun also tatsächlich angekommen. In Agadir, einer der größten Städte Marokkos, völlig ohne Plan. Von der Bushaltestelle aus bin ich knapp 45 Minuten zu meinem AirBnB gelaufen. Dieser Weg hat mich tatsächlich deutlich mehr fertig gemacht als ich dachte. Aber nicht, weil er anstrengend war. Die Temperaturen sind aktuell zwischen 25 und 29 Grad, das ist noch völlig in Ordnung. Nein, der Weg war anstrengend, weil ich währenddessen meinen allerersten Kulturschock hatte.

Ich habe auf dem Weg gelernt, dass hier überhaupt keine Verkehrsregeln existieren. Es wird nach dem Prinzip Indien gefahren, nur in harmloser. Die Autos und Motorräder sind die schlimmsten Schrottkarren die ich bisher gesehen habe, von Stoßstangen die mehr aus Klebeband bestehen als aus Kunststoff, bis hin zu Trikes, welche mit 40km/h lauter sind als so manches Sportauto. Dazu werden gerne hinten auf den Ladeflächen auch mal Menschen aufgeladen, der Rekord den ich bisher gesehen habe waren neun Personen auf einer Ladefläche. Neben den Straßen sind oft freie Flächen, rein aus Sand und Stein. Auf diesen Flächen stehen hin und wieder mal ein Esel oder ein Pferd, die herrenlos versuchen, Futter zu finden. Die Straßen sind an manchen Stellen mehr Wanderpfade als Straßen, aber das interessiert die Autos nicht. Ob asphaltiert oder nicht, solange das Auto nicht vollständig in das Schlagloch passt, wird da auch rübergefahren.
Das Wichtigste und auffälligste, was ich gesehen habe ist jedoch: Müll. Unmengen an Müll. Auf jeder Straße, jeder freien Fläche, Märkten, Häusereingängen, Stränden, you name it. Überall Müll. Sei es Bauschutt, Plastikverpackungen oder alte Möbel, alles wird einfach liegen gelassen. Mülltrennung existiert hier nicht und es wirkt so, als hätte auch noch niemand über dieses Prinzip nachgedacht. Als ich meinen Host fragte, wo ich denn welchen Müll wegschmeißen könnte, hat er mich ein wenig verwirrt angeguckt und nur gemeint, ich solle einfach alles in den Müll in der Küche schmeißen – welcher nebenbei erwähnt auch der einzige Müllsack im Haus war.

Trotz alledem muss ich einmal betonen, dass sowohl mein Host, als auch meine Unterkunft beide wirklich toll waren. Ich hatte endlich mal wieder ein Zimmer ganz für mich alleine, wenn auch nur für zwei Nächte, aber es hat sich angefühlt wie purer Luxus. Dazu war mein Bett gemütlich und groß, eine sehr willkommene Abwechslung zu den Hostelbetten.
Am Freitag Abend bin ich noch einmal nach draußen gegangen um mir etwas zu Essen zu holen. Zwei Straßen neben meiner Unterkunft gibt es einen Markt, auf welchem sehr viel Obst und Gewürze zu finden sind. Nur leider kein vollwertiges Essen. Trotzdem war es beeindruckend, die Massen an Bananen auf einem Fleck zu sehen. Auch die Kioske in der Gegend waren keine große Hilfe. Es gibt einige Optionen zum trinken, an Essen aber mehr Snacks wie Chips oder Yoghurts. Ich habe am Freitag also durch den Flug und die Ankunft in Agadir insgesamt nur ein paar Yoghurts und Bananen gegessen.
Mein Samstag war dann sehr unspektakulär. Ich habe voll ausgenutzt, diesen Raum und fast schon die ganze Wohnung für mich zu haben und bin die meiste Zeit drinnen geblieben. Am Nachmittag bin ich dann nochmal eine halbe Stunde zum nächsten Supermarkt gelaufen um mich dort mit Keksen und Instant Nudeln einzudecken, für den Fall, dass ich noch einmal nichts zu essen finden sollte. Zu meinem Glück stand direkt nebenan ein McDonalds, so hatte ich auch wieder ein zwar nicht sonderlich hochwertiges aber immerhin vollständiges Mittagessen. Abends, zurück im Hostel, bin ich dann zufällig auf meinen Host gestoßen. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben uns dann zu einem Tee an den Esstisch gesetzt und eine ganze Weile geredet. Für eine Weile ist noch ein Freund von ihm dazugekommen und so haben wir zu dritt meine Weiterreise durch Marokko geplant. Ich habe jetzt insgesamt 14 Stops die ich ansteuern kann, die alle sehr sehenswürdig wirken.

Sonntag, für mich also noch heute, bin ich dann schon wieder aus Agadir abgereist. Die Stadt bietet nicht sonderlich viel für Touristen, doch das wusste ich vorher schon und konnte so auch meinen Aufenthalt schön kurz planen. Auf dem Weg zu der Bushaltestelle, die ungefähr eine Stunde laufen entfernt war, habe ich dann noch ganz nebenbei den größten Markt Afrikas besichtigt, den Souk el Had. Richtig, nicht in Marokko, in ganz Afrika. Auch diese Empfehlung habe ich am Vorabend von meinem Host bekommen. Der Markt besteht aus fast 3000 einzelnen Ständen und dementsprechend wird dort auch fast alles verkauft. Du brauchst Gewürze? Souk el Had. Du brauchst Kleidung? Souk el Had. Schmuck? Souk el Had. Eine Waschmaschine? Frischen Orangensaft? Ein neues Handy? Souk el Had.


Auch wenn der Markt wirklich beeindruckend war, hat sich die Auswahl an Artikeln tatsächlich relativ schnell wiederholt. Es lohnt sich also nicht, aktiv nach allen 3000 Ständen zu suchen, sondern eher ziellos über den Markt zu schlendern und für sich selbst rauszufinden, welche Richtung sich gut anfühlt. Und naja, ziellos kann ich gut. Zeitgleich war es jedoch auch etwas unangenehm, wie viele Bettler sich in und um diesen Markt herumtreiben. Und die Bettler hier sind etwas völlig anderes als in Deutschland. Drogenabhängige sieht man seltenst, viel häufiger sind es verwahrlost aussehende, ältere Menschen, die kaum noch gehen können, oder aber dunkelhäutige Mütter mit ihren kleinen Kindern, die aktiv nach Geld für zum Beispiel neue Schulränzen betteln. Ich kenne mich nicht aus, mit der Armutssituation in Marokko, aber es wirkt so, als wäre es nicht einfach, eine verlorene Existenz wieder aufzubauen. Es ist manchmal schon hart mitanzusehen, wie eine Mutter mit mehreren Kinder auf der Straße zwischen dem Müll sitzt und auf Geld für einen Schulranzen hofft.

Nachdem ich fertig mit dem Markt war, ging ich also weiter zu der Bushaltestelle. Dort traf ich auf Dennis, einen weiteren Deutschen, der zufällig in die gleiche Richtung wollte wie ich. Mitten im Gespräch habe ich aber mitbekommen, wie ein Marokkaner an der Bushaltestelle Taghazout erwähnte – denn das ist genau die Stadt in die ich wollte. Ich habe ihn also gleich angesprochen und nachdem wir einen Moment zu dritt geredet hatten, nahm er uns mit zum richtigen Bus und fuhr mit uns nach Taghazout. Auf der Fahrt haben wir erfahren, dass er lokaler Surflehrer ist und wir ihn gerne in seinem Surfshop besuchen können, wenn wir Lust haben, zu surfen. Das ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, denn meine nächsten Tage sind noch nicht weiter geplant. Dennis wohnt die nächsten Tage im Nachbardorf zu mir und ich sitze mittlerweile in meinem Hostel auf dem Sofa und schreibe diesen Beitrag. Endlich, die letzten Tage ist so viel passiert und ich habe gerade deswegen einfach nicht die Zeit gefunden, wieder mal etwas zu schreiben. Morgen bin ich vielleicht surfen oder einfach am Strand, mal sehen, aber danach habe ich immernoch einen Tag hier in Taghazout, entsprechend bestimmt auch wieder Zeit für den Blog.

Bis dahin!