Napier – Kleine Berge, große Bäume
Am 16. August sind wir noch spät abends nach Napier gefahren und haben Taupō damit das zweite Mal hinter uns gelassen. Da wir dachten mit meiner Arbeit im Café nur wenige Tage Zeit zu haben, hatten wir es eilig los zu kommen. Schon auf dem Weg nach Süden haben wir es das erste Mal bereut so schnell losgefahren zu sein, denn im Dunkeln konnten wir natürlich kaum etwas um uns herum sehen. Deshalb können wir nur vermuten, wie schön dieser etwa 2 stündige Weg durch die Berge sein muss. Statt der schönen Bergstrecke haben wir dafür den Vorsatz mitgenommen so schöne Routen nur noch tagsüber zu fahren, das ist auch nicht schlecht!
Insgesamt haben wir eine Woche in Napier verbracht und ich habe mich zwischen den (zugegebenermaßen etwas kleinen) Bergen hinter uns und dem Pazifik vor uns direkt wohl gefühlt. Wie schön, dass es Orte wie diesen gibt wo man sich nicht zwischen Meer und Bergen entscheiden muss!
Mein größter Erfolg in dieser Zeit war eindeutig, dass ich tatsächlich meine erste Socke gestrickt habe! Es war gar nicht so schwer, wie ich befürchtet habe und am Ende hat sie Thies sogar gepasst! Hoffentlich reicht die Wolle jetzt noch für die zweite Socke…

An einem der ersten Abende haben wir einen sehr hübschen kleinen Holzsteg gefunden, der ein ganzes Stück über das Ufer des Meeres und durch Schilffarne führt. Natürlich haben wir in den letzten Monaten deutlich atemberaubendere Landschaften gesehen, aber ich freue mich trotzdem immer, wenn wir solche kleinen Wege finden. Dort zum ersten Mal spazieren zu gehen, wo die meisten anderen vermutlich täglich mit ihren Hunden lang laufen, kann sich (gerade auf den schöneren Wegen) sehr intim und auch etwas zugehörig anfühlen, selbst wenn der Weg selbst wohl nicht in meine Top 10 Erfahrung in Neuseeland kommen wird.

An einem anderen Nachmittag hat Thies auf Google Maps einen Aussichtspunkt entdeckt, der sich auf dem einzigen sichtbaren Hügel der sonst recht flachen Stadt befand. Kurzentschlossen sind wir hoch gefahren, das ging mit dem Auto zum Glück trotz der engen Kurven und steilen Straßen ziemlich gut. Oben angekommen war uns direkt klar, dass wir mit diesem kleinen Aussichtspunkt eine großartige Entdeckung gemacht hatten. Da der Hügel sich genau am Ufer des Meeres befand, konnte man von dort oben sowohl auf die wogenden Wellen und natürlich auch auf Napier selbst blicken. Am interessantesten fanden wir beide jedoch den Containerhafen, der genau unter der Plattform lag. Wir standen bestimmt eine halbe Stunde dort oben im Wind und beobachten, wie zwei Schiffe be- und entladen wurden. Der größte Teil des Hafens wurde von Stapeln riesiger Baumstämme eingenommen, die wir bisher nur auf den Anhängern von LKWs gesehen haben. Nun zu sehen, wie unfassbar viele dieser Baumstämme in den Bauch eines einzigen Schiffes passten, hat mich kurz vor die Frage gestellt, wie bald in Neuseeland keine Bäume mehr stehen würden. Zwar hatten wir schon auf der gesamten Nordinsel viele gezüchtete Wälder gesehen, aber gefühlt hat ein ganzer dieser Wälder nur in dieses einzige Schiff gepasst!

Neben dem Beobachten dieser ganzen Stämme war unser neues Hobby jedoch ein anderes: „Hamburg“s zählen. Denn von dem anderen Schiff wurden nach und nach auch Container gehoben, auf denen „Hamburg Süd“ stand. So nah waren wir zu Hause lange nicht mehr! Insgesamt haben wir sechs oder sieben dieser Container gesehen, eine ganz schöne Überraschung!

Meinen Lieblingsort aus Napier und Umgebung haben wir ebenfalls mehr durch einen Zufall entdeckt. Ursprünglich wollten wir uns ein Kap mit dem vielversprechenden Namen „Cape Kidnappers“ ansehen, auf dem sich eine der größten Tölpel-Kolonien befindet. Leider mussten wir feststellen, dass das Kap ohne eine gebuchte Tour nicht zugänglich ist und da diese Touren nur im Sommer verfügbar waren, mussten wir uns etwas anderes für den Tag überlegen. Daraufhin haben wir den „Te Mata Peak“ gefunden, auf dem es verschiedenste Wanderungen und Mountainbike Tracks gab. Also die perfekte Beschäftigung für eine sonnigen Nachmittag!
Vor Ort haben uns ein paar Kiwis erzählt, dass die Wanderwege höchstens ganz hübsch sind, unsere Erwartungen waren also nicht zu hoch. Wenn der Tag mir im Nachhinein irgendetwas gezeigt hat, dann ist es wohl die Tatsache, dass Schönheit subjektiv ist.
Denn ich fand die Landschaft wunderschön! In dem Gebiet wo wir waren gab es viele Wanderwege und nicht alle davon waren gut ausgeschildert, weshalb wir gerade am Anfang oft nicht wussten, ob wir richtig waren. Allerdings war das Gelände sehr offen, weshalb ich mir sicher war, dass wir unseren Weg auf jeden Fall wieder finden würden. Wir sind also einfach vor uns hin gewandert, haben nach kurzer Zeit dann doch die Wegmarkierungen gefunden, die uns auf unserem Weg bestätigt haben und haben langsam auch die ersten Höhenmeter gemacht. Die Gegend bestand aus vielen grünen Wiesen und einer sehr hügeligen Landschaft, weshalb es viel bergauf und bergab ging. Besonders schön wurde es, als wir an die Kante eines sehr steilen, klippenähnlichen, Abhangs kamen. Links neben uns ging es steil nach unten, vor uns schlängelte sich der kleine Trampelpfad durch das Gras und rechts neben uns wurde das Land mit mehreren sanften Hügeln immer flacher, bis wir in der Ferne Napier sehen konnten.

Für mich hat es sich ähnlich zum Auenland angefühlt, wer könnte das also nicht schön finden! Im Tal links neben uns floss ein Fluss um ein Dorf herum, was die Atmosphäre nur noch idyllischer gemacht hat. Mit der Kante links und den sanften Hügeln rechts ging es für uns also weiter die kleinen Bergspitzen nach oben. Nach einiger Zeit tauchte neben uns eine normale Straße auf, die sich in Serpentinen nach oben schlängelte. Ab da an ging unser Weg ein paar Meter über der Straße entlang nach oben, bis wir endlich gemeinsam an der Spitze des höchsten Hügels angekommen waren, auf dem Te Mata Peak! Dieser Peak ist nur 400 Meter über dem Meeresspiegel, weshalb man auch so problemlos mit dem Auto dorthin fahren kann, aber als Mini-Wanderung fand ich es trotzdem einfach zauberhaft, wie eine Märchenlandschaft.

Obwohl es langsam schon etwas später wurde, haben wir uns dazu entschieden den längeren Weg zurück zum Auto zu nehmen und hatten so das Glück an den Weideflächen von Kühen und Schafen vorbei zu kommen! Wir konnten uns dort nur leider nicht zu viel Zeit lassen, weil die Dunkelheit uns im Nacken saß. Deshalb war es dann schon am Dämmern, als wir bei den „Giant Redwoods“ angekommen sind. Wir haben erst im Nachhinein herausgefunden, dass es sich bei den majestätischen Bäumen um Mammutbäume handelte! Das erklärt allerdings ihre Größe von bis zu 40 Metern, die sie trotz ihres geringen Alters von „nur“ etwa 100 Jahren haben. Für ihr Pflanzungs-Jubiläum waren wir leider zwei Jahre zu früh, denn das ist erst in 2027. Im Jahr 1927 wurden dort die ersten Bäume gepflanzt, die 50 Jahre noch durch neue Mammutbäume ergänzt wurden. Aber auch mit 98 Jahren waren die Bäume schon sehr beeindruckend, wie sie im Halbdunkeln Dutzende Meter in den Himmel ragten. Ich wünsche ihnen (und natürlich auch den etwas jüngeren Nachfolgern) noch viele weitere Jahrhunderte. Vielleicht besuchen wir sie ja sogar nochmal!

Als wir die großen Bäume hinter uns gelassen haben, war es so dunkel, dass wir unsere Handytaschenlampen angeschaltet haben. Zum Glück waren die Wege auf dieser Seite des Parks deutlich besser ausgeschildert, weshalb wir den Weg zum Parkplatz und auch unser Auto zum Glück trotz der Dunkelheit recht schnell gefunden haben. Diese kleine Wanderung, die eigentlich nur als nette Nachmittagsbeschäftigung gedacht war, hat mich deutlich mehr begeistert, als ich vermutet hatte. Wir beide fanden den Wanderweg sogar so toll, dass wir gleich am nächsten Morgen nochmal dorthin gefahren sind! Dieses Mal haben wir uns aber die große Straße zunutze gemacht und sind mit dem Auto bis nach ganz oben gefahren. Auch aus einer Auto-Perspektive war der kurvige Weg durch die grünen Hügel wirklich hübsch, obwohl es an diesem Morgen deutlich windiger und regnerischer war. Ich war deshalb aber sehr dankbar für den Schutz des warmen Autos. Wir haben uns ein letztes Mal in der Gegend umgesehen, haben uns dann von Napier verabschiedet und sind noch am selben Tag weiter nach Osten gefahren, immer an der Küste entlang. Was wir dort erlebt haben gehört allerdings in einen eigenen Artikel!
Durch Zufall kommt es wunderbarerweise immer wieder zu tollen Erlebnisse. Was für ein schönes Gebiet, das für die Kiwis offensichtlich nur so naja ist!