Northland – Der echte Norden

Der heutige Artikel handelt von der nördlichsten Region Neuseelands, bekannt als „Cape Reinga“. Auf dem Weg dorthin haben wir aber noch auf einem Stellplatz übernachtet, der noch immer als einer meiner Lieblingsplätze gilt. Dort ist auch ein großartiges Bild entstanden:

Traum-Frühstück

In diesem für Campervans ausgeschriebenen Bereich konnte man sich überall hinstellen wo man wollte und fast der gesamte Bereich war nur wenige Meter vom offenen Meer entfernt. Als wir abends hier angekommen sind, war es schon dunkel. Wir haben also gar nicht so richtig gesehen, wo wir uns hinstellen würden.

30.06.2025

Als wir am nächsten Morgen aufgewacht sind, hatten wir dafür eine traumhafte Aussicht direkt aus dem Fenster und konnten den Wind und die Aussicht noch eine Weile beim Frühstück genießen.
Von dort aus sind wieder weiter an der Küste langgefahren, immer Richtung Norden. Auf dem letzten Stück, also etwa die letzten 100 Kilometer, gab es auch nur noch eine einzige Straße die zum Kap führte. Alleine hier war die Aussicht schon wieder beeindruckend, da wir durch viele Hügel und Klippen geführt wurden, bevor wir dann Cape Reinga selbst erreichten. Der Parkplatz des Kaps ist ein gutes Stück über dem Meeresspiegel, man konnte also von dort aus schon weit unter sich die Wellen gegen die Klippen brechen sehen. Auch wenn die Sonne den ganzen Tag schien und der Himmel fast komplett blau war, so war es oben am Kap doch ganz schön windig, was die berechnenden Wellen noch ein Stück epischer gemacht hat. Doch die Wellen wurden nicht nur durch den aufpeitschenden Wind besonders. Denn hier im Norden Neuseelands trafen zwei Meere, der Südliche Pazifik und das Tasmanische Meer, aufeinander. Zu sehen wie die Wellen aus zwei unterschiedlichen Richtungen aufeinander zu rollen und sich letztendlich gegenseitig aufheben, war ziemlich beeindruckend. Unter anderem wegen diesem Naturschauspiel ist der nördlichste Punkt Neuseelands den Māori heilig. In ihrem Glauben gelangen die Seelen verstorbener Menschen hier an dieser Stelle durch die wurzeln eines uralten Baums in das Meer und so auf den Weg nach Hawaiki, das sagenumwobene Herkunftsland der Māori. Zu diesem besagten Baum darf man als Tourist nicht hingehen, aber wir haben ihn gesehen!

Nachdem wir dem Weg etwas weiter gefolgt sind, haben wir einen Aussichtspunkt erreicht. Hier steht noch immer ein kleiner Leuchtturm, der heutzutage nicht mehr in Benutzung ist und außerdem folgendes Schild:

Weit weit weg von zuhasue

Zu sehen, dass jeder Ort auf den einzelnen Schildern näher dran ist, als Zuhause, war ein ganz schön komisches Gefühl. Wir sind wortwörtlich auf der anderen Seite der Welt. Und ich kann euch aus Erfahrung sagen: es ist richtig schön hier unten!
Nachdem wir noch eine ganze Weile einfach die Aussicht genossen und ein kleines Fotoshoot hinter uns gebracht haben (zu finden in der Fotogalerie), sind wir noch einen Wanderweg längsgelaufen, der genau an den Klippen des Cape Reinga längs führt. Hier war es komplett menschenleer und die Aussicht nur noch epischer und schöner als vorher.

Aussicht auf die Klippen

Bevor wir uns dann auch schon an den Rückweg machen wollten, mussten wir erst einmal herausfinden, wo wir denn die nächste Nacht verbringen könnten. Ganz im Norden des Cape Reinga gibt es leider keine kostenlosen Stellplätze und der Nächste war der von der letzen Nacht und etwa 1,5 Stunden Fahrt südlich von uns. Deshalb hatten wir vor, uns tatsächlich einmal auf einen bezahlten Campingplatz zu stellen. Das Raussuchen und auch die Fahrt war schnell gemacht, wir hatten nur online noch nichts gebucht, weil wir uns den Platz erst einmal in Person ansehen wollten. Vor Ort haben wir auch den Campingplatz gefunden, der zwar nur aus einer Rasenfläche und Plumpsklos bestand, aber immerhin existierte. Was wir nicht gefunden haben, waren zuständige Menschen, bei der wir die Nacht bezahlen könnten. Wie wir daraufhin festgestellt haben, hatten wir unten beim Campingplatz auch kein Netz und da es schon spät war, wollten wir nicht noch einmal nach oben fahren, wo wir noch Netz hatten. Wir sind die Nacht also so geblieben, mit der Idee das vielleicht am nächsten Morgen jemand der Angestellten vor Ort sein könnte.

01.07.2025

Fast forward zum nächsten Morgen. Wir waren bereits zum Sonnenaufgang wach und sind auch gleich aus der gemütlichen Wärme des Bettes raus, um an den Strand zu gehen, neben dem wir geschlafen haben. Denn vor allem zum Sonnenaufgang war die Bucht, in der wir uns aktuell befanden, einfach wunderschön. Durch den leichten Nebel und die aufschäumende Gischt der brechenden Wellen konnten wir die einzelnen Sonnenstrahlen sehen, die langsam hinter den Hügeln hervorkamen. Außerdem war keine weitere Menschenseele außer uns an diesem Strand und wir konnten ihn den ganzen Morgen vollständig für uns alleine genießen.

Spiegelglatter Strand zum Sonnenaufgang

Bevor wir uns wieder auf den Weg machen wollten, konnten wir aber noch immer keinen anderen Menschen finden, der uns die Campingplatzbuchung abnehmen hätte können. So sind wir also einfach wieder gefahren und konnten die Nacht (zwar nur so halb legal) kostenlos dort verbringen.
Der nächste Stop, den wir auf der Halbinsel des Kaps gemacht haben, war ein absolutes Highlight, an das wir uns sicherlich noch eine ganze Weile erinnern werden. Auf Google Maps heißt der Ort, an den wir gefahren sind, „Giant Sand Dunes“. Ich habe wirklich nicht zu viel erwartet, denn nachdem ich in Marokko schon auf Dromedaren durch ein Stück Wüste reiten durfte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass dieser Ort an Marokko rankommt. Aber ich lag falsch.
Vom Parkplatz aus, an welchem wir übrigens komplett alleine standen, mussten wir erst einmal barfuß einen kleinen Fluss überqueren und kamen so auf die gegenüberliegende Sandfläche. Von dort ging es für etliche hunderte Meter, vielleicht sogar ein paar Kilometer, einfach gerade aus. Nur konnten wir das von unten aus noch nicht sehen, denn genau vor uns türmten sich riesige Sanddünen auf. Und mit riesig meine ich wirklich unrealistisch groß. Die Dünen sind laut Google um die 150 Meter hoch und wirken von unten wirklich wie eine einzige Wüste. Spannend war dann, dass gleich hinter dem Fluss ein total dichter Wald stand, der irgendwie gar nicht ins Bild passte.
Beeke und ich sind erst einmal geradeaus auf eine der Dünen zugelaufen und haben wirklich viel Zeit damit verbracht, uns die großen Sandwände hochzukämpfen, denn – wer hätte es gedacht – im Sand bergauf laufen ist gar nicht mal so einfach. Als wir dann etwas aus der Puste oben auf einer der vielen Dünen angekommen waren, konnten wir sogar bis zum Meer sehen. Das hat die ganze Szene natürlich noch unrealistischer gemacht: Vor uns das Meer, hinter uns dichter Wald und wir mittendrin, auf riesigen Sanddünen. Nach rechts und links ging die Wüstenlandschaft noch eine ganze Weile weiter, was wir großartig erkunden konnten. So anstrengend es auch ist, eine Düne hoch zu laufen, so macht es auch einfach verdammt viel Spaß, besagte Düne wieder runter zu rennen. Oder zu springen. Oder zu rutschen, fliegen, rollen, etc. Das gute ist, man kann sich noch so sehr in den Sand werfen, es tut so oder so nicht weh. Dass wir am Ende an jeder vorstellbaren Stelle am Körper und der Kleidung Sand haben würden war eh abzusehen, uns hat also nichts aufgehalten.

Runter macht einfach mehr Spaß als hoch…

Nach mehreren Stunden, die wir in der Sonne und im Sand verbracht haben, mussten wir irgendwann zum Auto zurückkehren. Nach einer kurzen Trinkpause haben wir dann aber gesehen, dass ein Shop direkt neben dem Parkplatz endlich geöffnet hatte, auf den wir schon morgens gehofft hatten – denn dort wurden Bodyboards vermietet! Im Prinzip sind Bodyboards wie Surfboards nur kleiner (und normalerweise auch für das Wasser gedacht) aber hier waren sie dafür da, sich auf den Bauch zu legen und mit dem Kopf voran die großen Sandberge runter zu rasen.
Mit unserem frisch gemieteten Board sind wir also wieder zurück, barfuß durch den Fluss und gleich weiter die Sandberge hoch. Zwar konnte man theoretisch jede Düne runterfahren, aber es gab einen ganz klaren Favoriten unter den Menschen: Natürlich die höchste! Mittlerweile hatten sich schon einige andere Touristen angesammelt, die nach uns an den Giant Sand Dunes angekommen waren. Es waren aber nie wirklich viele, da haben wir mal wieder den Vorteil der Nebensaison. Einen dieser anderen Touristen haben wir sogar direkt getroffen, noch bevor wir auf die erste Düne hochgelaufen sind: Peter. Peter kommt aus der UK und hat sich, genau wie wir, einen Van in Neuseeland gekauft um damit eine Weile zu reisen. Wir kamen gleich ins Gespräch und konnten unsere Gedanken zu den Sanddünen teilen – und das war auch dringend nötig. Denn etwa 50 Meter hoch auf einer Sanddünen zu stehen, nur um sich vorwärts auf ein kleines, rechteckiges Board zu werfen und viel zu schnell abwärts zu brettern war absolut GROßARTIG! Das ganze war wie ein Freizeitpark ohne Eintritt, bei dem man jeden Achterbahn selbst steuern kann! So richtig viel Kontrolle über das Board hatte ich persönlich nicht gerade, aber wenigstens etwas lenken ließ es sich schon.

Der Aufstieg

Wir sind die nächsten zwei Stunden immer und immer wieder auf verschiedenste Dünen raufgeklettert, haben dort eine kurze Verschnaufpause eingelegt und sind wieder nach unten gefahren. Einmal haben wir sogar eine Düne gefunden, die etwa auf Hälfte des Weges einen geraden Teil hatte, sodass mit dem gewonnen Schwung von der ersten Abfahrt direkt ins zweite Tal rasen konnte.
Wir waren die ganze Zeit mit dem Board auch weiterhin mit Peter unterwegs und konnten so auch mal wieder etwas sozial sein und natürlich unser Englisch weiter aufbessern. Wir haben uns sogar so gut verstanden, dass wir uns gleich für den nächsten wichtigen Ort des Tages verabredet haben.

Dieser Ort nennt sich „90 Mile Beach“. Und der Name hält auch (fast) was er verspricht – denn der besagte Strand ist ganze 88 Kilometer lang! Das sind zwar nur etwa 55 Meilen, woher der Name kommt weiß ich also auch nicht, so oder so ist es aber verdammt lang. Der Strand ist so lang, dass er sogar offiziell als Straße anerkannt ist. Es gibt dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung und (rein theoretisch) die üblichen Straßenverkehrsregeln. Hauptsächlich ist das für Fahrzeuge gedacht, die einen Allradantrieb haben und so auch in härterem Terrain fahren können. Zu unserem großen Glück war die Stelle an die wir zusammen gefahren waren aber so flach und fest, dass wir uns sogar mit unserem Auto auf den Strand getraut haben! Natürlich sind wir vorher einmal zu Fuß auf den Strand gelaufen und haben getestet, ob der Sand auch wirklich ein Auto aushalten würde, was mit Vorderantrieb sich ganz sicher nicht selbst aus dem Sand ziehen könnte. Unsere Expertenmeinung wurde schnell zu einem: „Das wird schon!“

Heee-Heee

Und so bin erst einmal ich mit unserem kleinen Toyota Voxy auf den surreal langen Strand gefahren. Als dann klar war, dass der Untergrund stabil genug ist um uns zu halten, habe ich die Chance natürlich genutzt, dass die Straßenverkehrsregeln hier zwar gelten, aber sicherlich nicht überprüft werden. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, bevor ich mich durch das Schreiben dieses Textes doch in irgendeiner Form strafbar mache, aber glaubt mir wenn ich sage, dass es unglaublich viel Spaß gemacht hat, mit dem Auto über den Sand zu rasen. Wann kriegt man schonmal die Chance, außerhalb eines Videospiels einfach so zu fahren, wie man will? Klar, dadurch dass wir einen Automatikwagen haben waren die Möglichkeiten etwas begrenzt, aber das hat weder mich noch Beeke hinter dem Steuer aufgehalten. Peter war mit seinem etwas größeren Mitsubishi L300 auch auf dem Sand und – ob man es glaubt oder nicht – keiner von uns ist stecken geblieben!

Mit dem Auto auf dem Strand!

02.07.2025

Nun. Erinnert ihr euch noch an den Campingplatz, von dem ich ganz am Anfang des Artikels berichtet habe? Der, direkt am Wasser? Genau dort waren wir auch in der nächsten Nacht wieder. Beeke und ich sind abends im Dunkeln angekommen und etwa eine Stunde nach uns auch Peter, der sich mit seinem Van gleich hinter uns gestellt hatte. Wir haben in der Nacht wieder den Wellen zugehört und sind morgens zu wieder einem tollen, wenn auch etwas windigen, Sonnenaufgang aufgewacht. Beeke und ich haben uns gerade Müsli zum Frühstück gemacht, als Peter vor dem Fenster stand, um sich noch einmal zu verabschieden. Gleich danach ist er in seinen Van gestiegen und losgefahren.

Die folgende Konversation hat sich danach ungefähr so zwischen Beeke und mir abgespielt:

„Wie cool, dass wir Peter gestern noch getroffen haben.“

„Ich finde auch! Aber… weißt du, wieso er gerade in diese Richtung fährt? Ist der Ausgang nicht in die andere Richtung?“

„Hm, ja das stimmt. Vielleicht will er sich noch den restlichen Platz angucken?“

„Kann sein. Solange er nicht da vorne links fährt, ich glaube da ist gestern schon jemand stecken geblieben, weil es da so sandig ist.“

„Stimmt, das habe ich auch gesehen… Oh oh.“

„Oh nein, er fährt nach links. Jetzt bloß nicht stehen bleiben!“

„Jetzt ist er stehen geblieben. Er steigt aus. Vielleicht will er ja nur ein Foto machen?“

„…“

„Nein, okay, ich glaube er guck sich seine Reifen an. Er ist definitiv stecken geblieben.“

„Na großartig. Wollen wir ihn retten gehen?“

„Auf geht‘s.“

Und genau so war es. Nachdem wir noch etwa 12 Stunden zuvor gemeinsam auf einem Strand gefahren sind, hatte Peter es geschafft, sich auf dem Campingplatz festzufahren. Als wir an seinem Van ankamen, steckten seine Hinterreifen schon so tief im losem Sand, dass jede Hoffnung auf einfaches Weiterfahren verloren war. So begann also unsere erste (und hoffentlich einzige) Rettungsaktion eines festgefahrenen Autos. Zuerst haben wir es mit viel Schieben versucht, ohne dass sich die Reifen zu weit in den Sand graben. Nachdem das nicht funktioniert hat, haben wir uns Stöcker aus der Gegend gesucht und unter Peters Reifen gesteckt, in der Hoffnung, dass sie dort mehr Grip haben könnten – aber kein Erfolg. Zwischendurch wurden wir von einem Kiwi angesprochen, der mit einem Dirt Bike in der Strandlandschaft unterwegs war. Ich glaube er ist mit seinen Kindern (die alle eigene Bikes hatten) dort durchgerast und ich bin zugegebenermaßen etwas neidisch. Jedenfalls hatte er die Idee, dass sich einer statt zu schieben, auf die Heckklappe stellen sollte und wippen, um mehr Traktion für die Räder zu erzeugen. Aber noch immer erfolglos.
Nach einer kurzen Suche auf Reddit kam uns dann die rettende Idee: Wir haben eine Fußmatten des Mitsubishi geopfert und so gut es ging unter den festgefahrenen Reifen geklemmt. Mit viel Schieben, Schwung aufbauen und der neu gewonnen Traktion hat der Van tatsächlich kurz die Freiheit erblicken können – nur um sich etwa einen Meter weiter wieder festzufahren. Mit neu gewonnener Motivation haben wir uns also wieder daran gemacht den Reifen auszugraben, Stöcke darunter zu klemmen und viel zu schieben. Nach insgesamt etwa einer Stunde Arbeit haben wir es mit viel Teamwork tatsächlich geschafft und der Wagen war wieder frei! Wir waren alle sehr sehr happy und haben einen Moment gefeiert, bis Peter sich dann auf schnellstem Wege in Richtung Ausfahrt gemacht hat. Nach vielem Bedanken hat er es sogar erfolgreich und ohne weitere Komplikationen vom Campingplatz runter und in die Freiheit geschafft! Beeke und ich sind etwas später dann besonders vorsichtig gefahren, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden.

Peter wurde gerettet!

Sogesehen haben wir die Erfahrung eines feststeckenden Autos nun also schon erlebt, ohne dabei das Wohlergehen unseres eigenen Autos riskieren zu müssen. Ich finde, das Spektakel reicht jetzt auch, um uns eine sichere Fahrt für die weiteren Tausenden Kilometern zu gewähren, die noch vor uns liegen. Wünscht uns Glück!