Seoul: Die Seele Südkoreas
Der Inselurlaub ist vorerst wieder vorbei. Nachdem wir die Insel Jeju verlassen haben sind wir am 03. April in der Großstadt Seoul angekommen. Direkt neben der Stadt liegt Incheon, welche theoretisch eine eigene Stadt ist, aber so sehr mit Seoul verbunden, dass die beiden sich für uns wie eine einzige Stadt angefühlt haben. Deswegen lag unser erstes Hotel auch in Incheon, bis zur Stadtmitte von Seoul brauchte man von uns aus jedoch auch nur etwa eine Stunde.
In der Gesamtregion Seouls, zu welcher auch Incheon und Gyeonggi-do gehören, leben mehr als 50% der Einwohner des gesamten Lands Südkorea. Das sind etwa 26 Millionen Menschen. Entsprechend riesig fühlt sich die Region auch an.

Doch es gibt ein mindestens genauso riesiges Problem, das uns gleich seit Tag Eins aufgefallen ist. Denn Südkorea hat die weltweit niedrigste Geburtenrate mit 0,72 und dementsprechend eine rapide sinkende Bevölkerung. Das hängt damit zusammen, dass das Land seit Jahrzehnten von Korruption geplagt ist; Bestechung gehört mittlerweile mehr zur Politik als alles andere. Genau genommen gibt es sogar einige Familien, die deutlich mächtiger sind als die Regierung selbst. Zum Beispiel die Familie des „Samsung-Kronprinzen“, die dafür gesorgt hat, dass genau dieser „Kronprinz“ trotz etlicher Verbrechen nicht bestraft wurde, da er „zu wichtig für die Wirtschaft“ sei. Zu dem ganzen Thema gibt es eine YouTube Video des Kanal Simplicissimus, was ich nur absolut empfehlen kann! Ich verlinke es mal HIER und falls jemand Interesse daran hat, was genau in Südkorea aktuell so heftig schief läuft, sind das gut investierte 20 Minuten.
Jedenfalls ist uns das ganze, wie schon gesagt, gleich am ersten Tag aufgefallen. Überall wo wir waren, wirkte die Stadt total utopisch – kein Müll auf den Straßen, alles geregelt und gepflegt, fast nur saubere und oft teure Autos und Wolkenkratzer in der Innenstadt. Aber: Keine Kinder. Und nicht nur das, genauso wenig Kinder wie es gab, gab es auch Spielplätze. Oder Parks. Wiesen. Grünflächen. Von allem keine Spur.
Ich will es nicht schlechter reden als es tatsächlich war, aber ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass ich in meinem gesamten Aufenthalt in Südkorea deutlich mehr Hunde in Kinderwägen gesehen habe, als Babys in Kinderwägen.

Neben dem ganzen Wirtschafts-, Politik- und Korruptionsdrama gibt es natürlich auch noch die Geschichte mit Nordkorea, aber das ist etwas für den nächsten Artikel. Wir haben es uns nämlich nicht entgehen lassen, auch einmal einen Blick in das am meisten abgeschottete Land der Welt zu werfen! Immerhin ist Seoul nur knappe 30 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt und liegt ca. 200 Kilometer von der Hauptstadt Nordkoreas, Pyongyang.
Okay, genug von dem Thema. Eins unserer absoluten Highlights in Seoul war das Essen! Oder, um genau zu sein, ein bestimmtes Essen. In einer ganz bestimmten Restaurantkette. Nennen tut sich das ganze Tteobokki, fragt mich bloß nicht wie man das ausspricht. Auch den Namen der Restaurantkette wissen wir nicht, da diese nur auf koreanisch angeben war. Naja, geschmeckt hat es trotzdem.
Kommt man in eins der Restaurants rein, wird man zuerst einem Tisch zugewiesen. Auf dem Tisch stehen ein großer Topf, ein kleiner Topf, zwei Schalen und eine kleine Trageplatte. Außerdem war in den Tisch ein Herd eingebaut. Ihr könnt euch vorstellen, als wir das erste mal an den Tisch gekommen sind, sind wir fast vor Verwirrung verzweifelt. Zum Glück kam nach kurzer Zeit ein Kellner zu uns, der uns erst einmal das Prinzip erklärte. Daraufhin durften wir dann mit dem großen und kleinen Topf lospilgern zu einem großen Tisch in der Mitte des Raums, der gefüllt war mit verschiedensten Zutaten. Das ganze war ein wenig Buffet-artig aufgebaut, jeder konnte sich so viel nehmen wie er wollte und es gab wirklich alles zwischen Nudeln, Gemüse und Chicken Wings. Abgesehen davon gab es noch einen weiteren Tisch, auf dem Soßen aufgetischt waren. Die Soßen waren mit verschiedenen Schärfe-Leveln gekennzeichnet und sahen dazu einfach schon verschieden scharf aus. Eine war beispielsweise ganz weiß und sah etwas aus wie Crème Brûlé, eine andere wiederum war tief dunkelrot und kleine Stückchen, vermutlich Chili-schoten, schwammen darin.
Nachdem wir uns unser Abendessen an den Buffet-tischen selbst zusammengestellt hatten, sind wir zurück an unseren Tisch gegangen. Dort konnten wir erst etwas Wasser und daraufhin unsere selbst zusammen gemixte Soßen in den großen Topf geben, den wir bereits auf dem Herd stehen hatten. Als die Soße angefangen hat zu kochen, kamen einfach alle anderen rausgesuchten Zutaten rein und nach etwas Wartezeit hatte man ein zu 100% selbst zusammengestelltes und sogar selbst gekochtes Abendessen. Klar, das mag jetzt komisch klingen. Ich meine, in ein Restaurant gehen um am Ende doch selbst kochen zu müssen? Der Vorteil dabei ist nicht nur, dass alles aufs genaueste personalisiert ist, sondern auch ganz simpel: der Preis. Das Restaurant funktioniert im Prinzip von All you can eat & Drink, für die 1,5 Stunden die man dort bleiben durfte stand einem also alles konsumierbare im Restaurant frei zur Verfügung. Als kleines extra on top gab es sogar noch einen großen Bottich mit Eis, aus dem man sich genauso frei bedienen konnte. Der Preis für dieses Vergnügen: 6,8€ pro Person.

In verschiedenen Restaurants dieser einen Kette waren wir insgesamt vier Mal, was für einen Aufenthalt von 12 Tagen doch gar nicht mal so wenig ist. Tteobokki kommt auf jeden Fall auf die Liste an Essen, das wir früher oder später noch einmal nachkochen müssen, wenn wir zurück sind!
An einem der letzten Tage in Seoul waren wir in noch einem persönlichen Highlight: Dem Kriegsmuseum. Zur einen Hälfte ein Denkmal, zur anderen Hälfte ein Museum und eine absolute Sehenswürdigkeit dieser Großstadt. Im Inneren des Gebäudes ist die gesamte Geschichte Koreas dargestellt, wie es sich aufgeteilt hat, wie Nordkorea immer mehr Provokationen gestartet hat (und heute nicht aufhört – eher im Gegenteil) und vor allem wird natürlich der Koreakrieg fokussiert. Und auch wenn das natürlich spannend ist, war das wahre Highlight dieses Museums außerhalb der Mauern, denn draußen auf dem Gelände standen so einige alte Kriegsfahrzeuge. Das beste daran war, dass sie alle original waren und meist sogar dabeistand, wie sie ihren Weg in das Museum gefunden hat. Beispielsweise stand ein Kampfjet dort auf dem Rasen, welcher von einem Nordkoreaner geflogen wurde, der wiederum während einem Flug mit diesem Jet desertiert und nach Südkorea geflohen ist. Die Auswahl an Panzern reichte von Süd- und Nordkorea über die USA, China und Russland. Zwei der gepanzerten Fahrzeige waren sogar begehbar, wir konnten uns also tatsächlich auf den Fahrersitz oder den Geschützturm quetschen. Außerdem konnten wir auf dem Gelände des Museums noch Kampfhelikopter, Raketen, Flugabwehrgeschütze und ganze Schiffe vorfinden. Ein Schiff, welches dort ausgestellt war, war auch begehbar und zeigte seine eigene Geschichte in dessen Inneren. Es war wohl mal ein Patrouillenboot, welches unerwartet von einem größeren nordkoreanischen Patrouillenboot angegriffen wurde. Dabei kamen sechs Südkoreaner ums Leben. Auf ebendiesem Schiff zu laufen und noch die Einschusslöcher aus dem Kampf zu sehen, war auf jeden Fall eine Erfahrung.

Das letzte, wovon ich heute noch erzählen möchte, ist eine alte Mine die wir uns angesehen habe. Die Mine ist relativ mittig, beziehungsweise etwas südlich innerhalb der Stadt Seoul zu finden. Sie wurde zwischen 1910 und 1945 errichtet und zum Rohstoffabbau genutzt, hauptsächlich für Gold und Kupfer. Zu dieser Zeit war Korea von Japan besetzt und so wurden die Koreaner in dieser Mine hauptsächlich ausgebeutet und harter physischer Arbeit ausgesetzt. Nachdem Japan 1945 kapitulierte wurde der Abbau in der Mine im Jahr 1972 abgebrochen und sie wurde zu einem Lagerraum umfunktioniert, in dem Garnelen gelagert wurden. In 2010 wurde sie dann noch einmal umfunktioniert und ist bis heute offen für die Öffentlichkeit, erzählt genau diese Geschichte in Form von Bildern und ist aber hauptsächlich eins: Ein Ort für Kunst. Die Idee ist es, den dunklen Hintergrund der Geschichte zu überdecken und neues Leben hineinzubringen. Deswegen sind dort überall Licht-Installationen angebracht, entweder mit Tausenden LED Lampen oder mit Beamern, dieser Höhle tatsächlich neues Leben einhauchen. Außerdem gibt es verschiedenste Aquarien mit exotischen Fischen und unser kleines Highlight: Eine 42 Meter große Nachbildung von Smaug, dem Drachen aus Herr der Ringe. Dort stehen auch noch Gollum und Gandalf, um die Sammlung fast vollständig zu machen.
Die Mine ist über sieben Kilometer lang und auch wenn sie für Besucher nur teilweise begehbar ist, muss man doch ein ganz schönes Stück laufen, um alles einmal zu sehen.

Natürlich haben wir in Seoul noch mehr Dinge gesehen und gemacht, aber keins von denen lässt sich so richtig gut beschreiben. Beispielsweise waren wir auf einer riesigen Tempelanlage, die etliche Gebäude aller Größen und einen wirklich schönen Garten beherbergte. Sogar eine alte Bücherei konnten wir dort finden. Anscheinend war es auch einfach möglich, sich Ort traditionelle Kleidung zu mieten und ein Fotoshoot zu organisieren, da wirklich viele Menschen in dieser Kleidung herumgelaufen sind, aber davon wussten wir vorher nichts. Da wir aber selbst nicht so richtig Ahnung haben, was das für eine Tempelanlage ist, haben wir hauptsächlich einfach das Gelände genossen und eine ganze Weile entspannt.

Seoul war eine total spannende Stadt, es hat sich alles angefühlt als würden sich die Realität und die Berichte sehr widersprechen. Auf der einen Seite ist alles super modern, sauber und einfach groß, die Menschen sind meist freundlich und auch wenn man viel angestarrt und beobachtet wird, so fühlt man sich doch irgendwie willkommen. Auf der anderen Seite steht die Korruption, die Konflikte und alles was aktuell in der Politik passiert. Nachdem der letzte Präsident vor kurzer Zeit erst illegal den Notstand ausgerufen hat (oder so?), woraufhin er verhaftet wurde, habe ich heute gelesen, dass der neue Präsident kurz vor einer Neuwahl selbst zurückgetreten ist. So ganz genau weiß ich das auch nicht, aber es scheint nicht gut zu laufen.
Wir sind hauptsächlich sehr froh, dass wir Südkorea so erleben konnten, wie es aktuell noch ist. Bei der stark sinkenden Geburtenrate weiß man ja nicht, wie das Land in 50 Jahren aussieht und so ist es schön, das Ganze noch im heutigen Zustand gesehen zu haben.
Sehr kuriose Stadt… Aber ein toller Artikel. Vielen Dank für diesen Einblick in ein Land, das mir so gar nicht vertraut ist.
Vielen Dank, das war wieder hoch interessant ! Besonders angesichts der Versuche Südkoreas, im Westen Einfluss zu nehmen durch Filme und K-Pop. Ich freue mich immer, wenn ich von Euren Abenteuern lese.