Tokyo – Zwischen Traum und Albtraum
Die größte Stadt, beziehungsweise Metropolregion der Welt, ist noch immer Tokyo. Wenn man die Größe der reinen Stadtfläche vergleicht, ist Mumbai natürlich auf Platz Eins, aber in der gesamten Region Tokyo leben über 30 Millionen Menschen – das überbietet niemand so schnell.
Sich überhaupt 30 Millionen vorzustellen ist gar nicht mal so einfach. 30.000.000. Und jeder einzelne davon hat ein eigenes Leben, einen eigenen Tagesablauf und eigene Freunde. Ich meine, das ist ein Drittel der Menschen die in Deutschland leben, zusammengequetscht auf eine einzige Stadt!
Und genau in dieser Stadt sind Beeke und ich nun, am 05. März, angekommen.
Um dieser unglaublichen Stadt einigermaßen gerecht zu werden, fange ich gleich einmal mit einem der eindrucksvollsten Themen an, das die Stadt zu bieten hat: Die Züge.
Denn wenn man einmal eine Station gefunden hat, was nicht sonderlich schwer sein sollte, da diese wortwörtlich an jeder Ecke sind, gerät man bei den großen Stationen erst einmal in ein Labyrinth aus Gängen, Hallen und Schildern. Tokyo hat, wie Osaka auch, eine ganze Stadt unter der Erde. Geht man am Straßenrand eine Treppe runter, die zu einer Metro führt, wird man meist von Restaurants, Kleidungsläden, Convenience Stores oder großen Hallen begrüßt. Findet man dann einmal die richtige Bahn in dem Schildermeer, darf man diesen Schildern für die nächsten Minuten folgen und sich dabei durch die Menschenmassen drängeln, die noch vor einem liegen. Früher oder später gelangt man dann an ein Ticketgate, bei dem man entweder sein Einmalticket hineinstecken, oder seine persönliche Karte drauftippen darf. Das Gate macht dann ein ganz tolles „DING“ und man wird durchgelassen. Für den Fall, dass die Karte abgelaufen ist oder nicht mehr genug Geld zur Verfügung steht, gibt es natürlich auch Barrieren. Viel wichtiger ist jedoch der Sound, der dabei abgespielt wird, denn diesen Sound werden alle im Umkreis von drei Metro-Stationen hören können und somit auch sofort wissen, wer seine Karte nicht ordentlich mit Geld aufgeladen hat. Außerdem gibt es an jeder Station mindestens einen „Station Officer“. Dieser steht immer in einer kleinen Kabine an der Seite der Gates und überwacht die Menschen, die die Gates nutzen. Er steht für Fragen zur Verfügung oder wenn etwas nicht so funktioniert wie geplant. In kleineren Stationen ist es oft so, dass der Station Officer jeden einzelnen Gate-Nutzer grüßt und sich bei diesem für die Nutzung der Metro bedankt. Vor allem lustig ist dies zur Rush-hour, wenn auch in kleinen Stationen sekündlich mehrere Menschen zeitgleich durch die Gates gehen und der Station Officer nicht mehr mit dem bedanken hinterher kommt. So einen Officer gibt es übrigens an jeder einzelnen Station, an jedem Ein- und Ausgang und dort wiederum an jedem Gate. Es gibt also einige davon.
Kommt man nun aber nach dem Gate und dem nächsten großen Flur bei der Rolltreppe oder Treppe an, die zu dem richtigen Gleis führt, so hat man es endlich fast geschafft. Auf dem Gleis selbst sind auf dem Boden Markierungen aufgeklebt, die genau aufzeigen, wo die Türen der Metro sein werden. In vielen Stationen gibt es auch extra Barrieren an den Gleisen, die erst öffnen, wenn der Zug angekommen ist. Wie man es von den Japanern kennt, steht Freundlichkeit hier an erster Stelle. Und so kommt es, dass egal wie voll es an der Station auch ist, immer vor den Türen Schlangen gebildet werden. Jede Schlange steht vor einer Tür und meist relativ gerade davon weg, sodass sich auch wirklich niemand vordrängelt. Und es funktioniert. Auch wenn der Zug schon angekommen ist, verliert die Schlange nicht ihre Form und die Menschen betreten nacheinander den Zug. Auch wird sehr darauf geachtet, dass vorher alle die wollen aus dem Zug aussteigen können. Falls jemand nur aus dem Zug aussteigen muss, um jemand anderem Platz zu machen, so wird dieser noch mehr berücksichtigt, damit er auch auf jeden Fall seinen Platz zurückbekommt. Der einzige Fall, in dem diese Ordnung nicht mehr funktioniert ist, sobald klar wird, dass nicht alle in den Zug passen werden. Denn dann rennen alle von Tür zu Tür und versuchen sich rein zu quetschen, was natürlich auch verständlich ist bei den stark getakteten Arbeitszeiten hier. Doch weiter geht es im Innenraum der Metro.
Jedwede Freundlichkeit und Rücksicht, die den Japanern zugesprochen wird, wird innerhalb der Metro völlig über den Haufen geworfen. Das beeindruckende, ist dass trotz der Menschenmassen (fast) jedes Mal alle Passagiere in die Bahn passen. Und noch viel beeindruckender ist, dass ein absoluter Großteil der japanischen Passagiere völlig unbeeindruckt in der Bahn steht und oft sogar noch im stehen schläft oder vor sich hin döst. In diesen Menschenmassen, umgeben von Anzügen und Schweiß, zusammengequetscht inmitten einer schwarzen Masse von Arbeitern könnte ich mich niemals so sehr entspannen, wie ich es hier schon erlebt habe. Und für mich ist das ganze noch deutlich angenehmer als für Beeke, denn da Japaner grundlegend einfach sehr klein sind (und ich meine wirklich klein), kann ich in jedem Bahnabteil relativ problemlos bis zum Ende des Abteils gucken und habe wenigstens meinen eigenen Raum zum atmen, während mir ein älterer Japaner von hinten seinen Ellenbogen in den Rücken rammt. Aber für Beeke ist das schon schwieriger, denn auch wenn die durchschnittliche japanische Frau noch immer kleiner ist als Beeke, so geht sie trotzdem in der Menschenmasse ganz gut unter.
Spannend ist dann natürlich auch, dass wenn man sich aus der Metro irgendwann wieder raus gequetscht hat, diese Menschenmassen so überhaupt nicht weniger werden. In den Metro-Stationen ist zwar mehr Platz, sodass die Menschen sich nicht drängen müssen, aber man merkt trotzdem immer wieder, wie unfassbar viele Menschen hier eigentlich leben. In jeder einzelnen Station ist es zu jeder Uhrzeit mehr als gut gefüllt, oft bilden sich Schlangen an den Ticket-Gates und Rolltreppen und in diesem Chaos an Menschen den Überblick zu behalten, in welche Richtung nun eigentlich das richtige Gleis ist, ist gar nicht mal so einfach. Aber wie gesagt, 30 Millionen Menschen sind nunmal nicht so einfach wegzudenken.
Als wir uns nach der Busfahrt auf den Weg zu unserem Hotel gemacht haben, kamen wir gleich das erste Mal in Kontakt mit der Menschenmasse, die uns in der Metro begrüßte. Trotzdem verlief der Weg problemlos und wir konnten mittags entspannt einchecken. Das Hotel hatten wir nur für eine Nacht gebucht, da es uns eigentlich zu teuer war für das, was wir bekamen, aber es zeitgleich auch einfach das günstigste Hotel in ganz Tokyo war. Wir schliefen also wieder auf Atami-Matten, die auf einem Futon-Boden lagen (im Prinzip sehr sehr dünne Matratzen auf einem Bambus-Boden). Die Betten waren getrennt von dünnen Wänden, manche davon waren nur Trennwände. Zum Flur gab es keine Tür, sondern nur Vorhänge, die aber nur bis etwa 30 Zentimeter über dem Boden reichten. Und so teilten wir uns den Rest des Hauses mit etwa zehn anderen Gästen, die auch alle in entsprechenden Kabinen untergebracht waren. Ich würde nicht sagen, dass wir in dem Hotel nicht auch länger überstanden hätten, aber wir machten uns trotzdem gleich nach dem Check-In auf die Suche nach etwas neuem. Der Plan war, einfach durch die Straßen zu laufen uns zu hoffen, dass wir etwas günstiges sehen.
Nach ca. 20 Minuten einer relativ erfolglosen Suche kamen wir dann an einem Hauseingang vorbei, der auf Google Maps als Hotel ausgeschrieben war. Leider war nichts davon zu sehen, deswegen wollten wir uns gerade schon wieder auf den Weg machen, als wir aus einem Auto heraus angesprochen wurde. Eine Frau fragte uns, ob wir einchecken wollten. Wir erklärten schnell, dass wir nur auf der Suche sind und noch nichts gebucht haben, fragten aber natürlich auch nach ob sie weiß, ob hier noch etwas frei ist. Es stellte sich heraus, dass sie die Besitzerin des Hotels war und so gab sie uns ganz spontan eine schnelle Roomtour: Große private Zimmer mit viel Platz, Private Duschen, ein sauberes Bad und ein Kühlschrank im Zimmer. Ein Traum, doch natürlich war uns bewusst, dass diese Unterkunft weit außerhalb unseres Budgets liegen würde. Sie nannte uns darauf den Preis und, wie zu erwarten war, war es zu viel. Wir bedankten uns also freundlich für die Roomtour und erklärten, dass wir für eine Nacht nicht so viel ausgeben könnten und wollten uns gerade wieder auf die Suche machen, als sie uns fragte, was denn unser Budget sei. Nachdem wir ihr sagten, dass wir nur etwa halb so viel ausgeben können, wie ihre Zimmer kosten, war ihre Antwort drauf: „Okay, you can stay“.
Völlig verwirrt fragten wir nochmal nach und tatsächlich, die Hotelbesitzerin ließ uns in dem Zimmer völlig ohne verhandeln oder überhaupt die Nachfrage für den halben Preis bleiben! Ein Traum! Am nächsten Tag nahmen wir also wieder unsere Rucksäcke mit und richteten uns in der neuen Unterkunft ein, die praktischerweise mitten in einem Wohnviertel lag, etwa 50 Meter entfernt von einem sehr günstigen Supermarkt und nur zehn Minuten Fußweg von der nächsten Station, sodass wir innerhalb einer halben Stunde in der Mitte Tokyos sein konnten. Die nächsten Tage versorgten wir uns die meiste Zeit mit vorgekochtem, reduziertem Essen aus dem Supermarkt und konnten so Tokyo für einen Preis genießen, den wir uns vorher gar nicht hätten vorstellen können.
Eins der Highlights, die wir in der Zeit besichtigt haben, war das Metropolitan Government Building. Klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Das Gebäude hat nämlich eine kostenlose Aussichtsplattform auf einer Höhe von 202 Metern, auf welcher man über große Teile der Stadt hinwegsehen kann. Wir waren gleich zwei mal dort. Das erste Mal war mitten am Tag, um möglichst weit sehen zu können. Dabei hatten wir auch das erste Mal einen Blick auf den weltweit bekannten Mount Fuji – ein wirklich beeindruckend schöner Berg. Wir sind noch zum Sonnenuntergang auf der Plattform geblieben und danach weitergefahren, damit wir einen Grund haben später noch einmal wiederzukommen und die Aussicht bei Nacht zu genießen.

Dies haben wir an unserem letzten Abend in Tokyo dann auch getan – nur leider war es total bewölkt und man hat von der Aussicht so ziemlich gar nichts gesehen. Doch auch wenn das natürlich sehr ärgerlich war, hatten wir an dem Abend noch einen weiteren Grund, bei diesem Gebäude zu sein. Denn aktuell ist hier das größte „Projection Mapping Display“ der Welt. Projection Mapping ist eine Form von Beamen, also im Prinzip wie im Kino, nur dass vorher per Laser abgemessen wird, wo die Kanten auf der angestrahlten Oberfläche liegen. So kann das projizierte Bild, was in diesem Fall ca. 150 Meter groß war, genau auf das Gebäude angepasst werden. Beispielsweise ist in der Vorstellung, die wir angesehen haben, ein Wal aus einem der Vorsprünge des Gebäudes herausgekommen, sodass es aussah, als wäre genau auf dem Vorsprung die Wasseroberfläche. Das ganze ist schwer zu beschreiben, hier ist ein Bild zum besseren vorstellen:

Natürlich haben wir uns auch die ganze klischeehaften Hotspots in Tokyo angesehen, die man einfach gesehen haben muss, wenn man schon da ist. Zum Beispiel: Shibuya Crossing. Wir waren vormittags unter der Woche dort, deswegen war es nicht so brechend voll, wie man es vielleicht sonst kennt, aber trotzdem waren es einfach echt viele Menschen. Im Endeffekt ist es auch nur eine Kreuzung und die Metro-Stationen sind zu Rush Hour mindestens genauso voll, aber trotzdem ist es ein sehr cooler Ort. Direkt nebenan kann man sich in einem Starbucks ans Fenster stellen, um das ganze aus dem ersten Stock zu beobachten und gerade aus der Perspektive ist das ganze schon ein Spektakel. Trotzdem haben wir dort nur etwa 15 Minuten verbracht. Falls jemand gerade überhaupt nicht weiß, was das Shibuya Crossing ist: Hier ist ein Link zu einem Livestream, der dauerhaft auf den Ort zeigt. Guckt euch den Stream möglichst so an, dass so Tokyo gerade Tag ist (+8 Stunden Sommerzeit / +7 Stunden Winterzeit zu deutscher Zeit) und wartet darauf, dass die Fußgänger grün bekommen.

Etwas, wofür Tokyo noch total bekannt ist, ist die Auto-Szene. Vor allem in Fast & Furios: Tokyo Drift, wird hier ein absolut cooles Bild der Szene gezeigt, das garantiert auch mal so existiert hat. Nur genau dort liegt das Problem, es hat einmal existiert. Heutzutage sind 90% der Autotreffen abgekapselt und privat, die Beschränkungen und Verbote wurden angehoben und die Tuner sind nur noch untereinander aktiv. Man kann theoretisch an Autotreffen teilhaben, aber nur wenn man entweder gute Kontakte in Tokyo hat, oder genug Geld um sich herumführen zu lassen. Oder man stolpert aus Versehen über ein Treffen, aber die Wahrscheinlichkeit ist natürlich auch sehr gering.
Das ändert jedoch nichts daran, dass in der Stadt sehr viele besondere Autos fahren. Täglich sieht (und hört!) man dort aufgemotzte Autos mit Unterbodenbeleuchtung, Bodykits, oder Motoren, die PS-Zahlen erzeugen, die kaum noch glaubwürdig sind. Mein kleines Auto-Highlight war jedoch nicht in Tokyo, sondern in Kyoto, wo ich einen DeLorean DMC-12 fahren sehen habe – also das Auto, mit dem sie in „Zurück in die Zukunft“… nun ja, zurück in die Zukunft gereist sind. Inklusive originaler Lackierung und Flügeltouren, das Auto ist schon etwas besonderes.
So, aber genug abgeschweift, kommen wir zurück zu unserer Zeit in Tokyo.
Einen halben Tag haben wir in dem Viertel „Akihabara“ verbracht – das berüchtigte Technik-Viertel der Stadt. Ein absoluter Traum für mich, ein kleiner Albtraum für Beeke (Beeke: aber nur, weil ich nicht gut lange Zeit stehen kann!), aber so oder so eine sehr beeindruckende Gegend.
Etliche Gebäude stehen dort von unten bis oben gefüllt mit Technik jeglicher Art – von Kameras über Retro Gaming Konsolen über Saugroboter bis hin zu Airsoft-Pistolen, hier findet man alles. „BIC Camera“ ist hier der Vorreiter was Geschäftgröße angeht, denn von der Marke stehen gleich mehrere Gebäude in Akihabara: Jeweils um die fünf bis sieben Stockwerke hoch und brechend voll mit der neuesten Technologie und mindestens genauso vielen Verkäufern, die einem (meist ohne zu Fragen) zur Beratung zur Seite stehen. Alleine in dem ersten BIC Camera Store habe ich knapp drei Stunden verbracht, bin jedes Stockwerk durchgegangen, habe Kameras ausprobiert, Kühlschränke geöffnet, von Kopfhörern geschwärmt und mir einen Rasierer gekauft. (Mein Bart braucht es langsam wirklich…)
Übrigens: die teuerste Kamera, die ich in Akihabara gefunden habe, stand für umgerechnet etwa 7.500€ im Regal – das zugehörige Objektiv für etwa 14.500€. Wenn also noch jemand 21.500€ rumliegen hat, ich hätte da einen neuen Beitrag für meine Weihnachts-Wunschliste!
Danach ging es weiter zu „TamTam Hobbystore“, wo ich die unzähligen Regale an Modellautos nach einem ganz bestimmten Modell abgesucht habe – dem Nissan Skyline GT-R (R34), dem Lieblingsauto eines sehr guten Freundes von mir. Nachdem ich fündig geworden bin ging es dann noch ein einen kleineren Kameraladen, in dem Second Hand Kameras verkauft werden – ein Traum für jeden Retro-Fotografie-Liebhaber! Bevor der Tag um war, war der letzte Stop noch der „HardOff“ Store, wo hauptsächlich Retro-Spielekonsolen und Spiele verkauft werden. Originale Gameboys, PS1 Spiele, oder (aus irgendeinem Grund) Gitarren, hier die Regale zu durchforsten hat einfach Spaß gemacht.

In Akihabara stehen jedoch nicht nur solche tollen Geschäfte, sondern auch viele „Maid Cafés“. Diese sind auch sehr bekannt für Japan und funktionieren grundlegend wie normale Cafés auch, nur dass man hier von Japanerinnen in Maid Costumes bedient wird, die einen mit „Master“ ansprechen und mit allen Mitteln versuchen, so kawaii (süß) wie möglich auszusehen! Fragt mich nicht wieso das hier ein Ding ist, wir haben es jedenfalls nicht ausprobiert. So richtig in Ruhe gelassen wurden wir davon jedoch auch nicht, denn auf den Straßen standen etliche junge Japanerinnen in entsprechenden Maid-Kostümen (gerne googeln, falls jemand nicht weiß was das ist), die Werbung für die dazugehörigen Cafés machten. Vor allem in der Kälte und dem Regen taten mir die Mädchen etwas leid, aber in der Zeit hier haben wir schon deutlich schlimmere Jobs gesehen.
Und damit komme ich auch direkt zum nächsten Thema, denn wenn ich hier keinen harten Schlussstrich zu Akihabara ziehe, höre ich wahrscheinlich nie auf darüber zu schreiben.
Das Thema ist nämlich die „Null-Arbeitslosigkeit“ und „Null-Obdachlosigkeit“ Politik, die in ganz Japan geführt wird. Und das sieht man. Umgesetzt wird diese Politik so, dass Jobs an Menschen vergeben werden, die wirklich kein Mensch braucht. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist der Job des Schildhalters. Menschen, die vor Geschäften oder an Straßenecken stehen und Schilder in die Luft halten. Das war es. Sie müssen nicht einmal aktiv Werbung machen, oder Menschen ansprechen, sie halten nur Schilder hoch. Alternativ hätten wir auch noch den Jobs des Parkhaus-Ausweisers, welcher in vielen Fällen völlig überbesetzt ist. So haben wir an einem Abend vor der Ausfahrt eines Parkhauses beobachten dürfen, wie sechs (6!) Männer in reflektierender Kleidung vor der Ausfahrt standen, und mit Leuchtkellen Zeichen für die Autofahrer gegeben haben, wann sie auf die Straße auffahren können. Wenn das Parkhaus wenigstens besonders viel befahren wäre, oder die Auffahrt zu Straße schwieriger wäre als andere, hätten sie ja immerhin einen Zweck. Aber keins davon war der Fall. Alle paar Minuten kam ein Auto aus der Ausfahrt, zwei der sechs Männer leuchteten den Autofahrer an, zwei weitere gingen zu Straße um zu checken, wann sich die nächste Lücke im Verkehr bietet und die anderen beiden… waren auch dabei.
Ich möchte gar nicht die Personen schlecht reden, die diesen Job ausführen. Es ist natürlich großartig, in jedem Fall eine Chance auf einen Beruf zu haben und so immer eine feste Einnahmequelle zu haben. Aber ich frage mich, inwiefern man mit sich selbst vereinbaren kann, dauerhaft so einen Job auszuführen. Denn im Endeffekt spiegelt die eigene Arbeit oft einen Sinn im Leben wieder, sei er noch so simpel. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen wie es sich anfühlen muss, einen so absolut überflüssigen Job auszuüben. Paart man das mit der Arbeitszeit-Mentalität Japans, in welcher es üblich ist, sein ganzes Leben einem bestimmten Job und entsprechend auch einem bestimmten Arbeitgeber zu widmen, mache ich mir ernsthaft Sorgen um die mentale Gesundheit des japanischen Volks. Und auch das spiegelt sich leider in der Gesellschaft wieder.
So kommen wir nämlich zurück zu den vielen Menschen, die schlafend in der Metro stehen, die völlig gehetzt zu ihrem Drittjob rennen, oder die ihre Karriere und Berufsmöglichkeiten weit über ihre eigene physische und mentale Gesundheit stellen. Das ganze ist ein soziales System, bei dem ich froh bin, nicht dort aufgewachsen zu sein und nicht diese Mentalität übernommen zu haben.
Einen Tag unseres Tokyo-Aufenthaltes haben wir in dem „Ueno-Zoo“ verbracht. Auch wenn dort das gleiche Problem herrscht, wie in jedem anderen Zoo, war es trotzdem ein schön gestalteter Zoo. Wir haben Eisbären, Robben, Tiger, Bären, Krokodile, Riesenschildkröten, Giraffen, Elefanten, Lamas, etliche exotische Vogelarten, einen Nasenbären und ein Gürteltier gesehen, oder jedenfalls waren das unsere Highlights. Theoretisch hätten wir auch noch Pandas sehen können, nur war die Schlange zum Gehege so lang, das wir knapp eine Stunde anstehen hätten müssen. Dafür war uns der Tag einfach zu kalt und nass. Gerade bei den größeren Tieren ist natürlich sehr aufgefallen, dass ein Zoo auf keinen Fall das richtige für so ein Tier sein kann. Der Eisbär ist eine Strecke von etwa 20 Metern immer und immer wieder auf und ab gelaufen, die Robben immer die exakt gleiche Strecke geschwommen und bei dem Tiger und dem Bären konnte man beobachten, wie sie in dem Kreis, in dem sie liefen, immer wieder auf die genau gleichen stellen getreten sind. So ist das ganze doch etwas deprimierend zu sehen. Trotzdem war das Zoo-Gelände sehr schön gestaltet.
Am Abend sind wir vom Zoo aus noch zum Tokyo Tower gefahren. Dieser ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt, wir mussten also wenigstens einmal dran vorbeilaufen. Wir sind im Endeffekt nicht hochgefahren, weil wir im Metropolitan Government Building schon eine wirklich schöne Aussicht hatten und es schon spät abends war, so haben wir den Turm „nur“ von unten gesehen, wie er schön beleuchtet war:

Eine weitere Sehenswürdigkeit, die wir in Tokyo besucht haben, war der Senso-Ji Tempel. Dieser steht mitten in der Stadt und besteht aus einem Haupt-Tempelgebäude, einem großen Tor und einem Turm. Vor allem nachts war der Tempel wirklich wunderschön. Leider wurden wir während unserer Besichtigung von einem Regen überrascht, gegen den selbst unsere Regenschirme nichts mehr ausrichten konnten. Wir mussten uns an einem der Tempelgebäude noch eine ganze Weile unterstellen und haben die Chance genutzt, uns mal wieder unsere Zukunft vorhersagen zu lassen. An dem Tempel konnte man nämlich für wenige Yen einen Zettel ziehen, welcher einem entweder ein sehr gutes oder ein sehr schlechtes Schicksal voraussagt. Ich hatte Glück, mein Schicksal war ein „very good fortune“. Beekes Schicksal war jedoch so schlecht, dass ich hier einmal den gesamten Text, der auf dem Zettel stand, wiedergeben muss.
So many wide river and sea are on our way, they are so hard to walk across. Just like to push up a coach to a steep mountain, going ahead or coming back, both are impossible, so can’t move anymore. Some people stand our front as barrier, everything doesn’t go so smooth.
Your request will not be granted – The patient is hard to recover – The lost article will not be found – The person you waited for will not come – Let’s stop build a new house and removal – Let’s stop the following: Any kind of marriage, New employment, to start a trip
Ihr könnt euch vorstellen, wir konnten diese sehr düsteren Aussichten nicht wirklich ernst nehmen.

Um Beekes zukünftiges Pech auf die Probe zu stellen haben wir uns daraufhin zu einem lokalen Okonomiyaki-Restaurant begeben. Dieses Restaurant war mit das kleinste und lokalste in dem wir in ganz Japan waren, wir hatten also keine Chance auf eine englische Karte oder Verständigung außerhalb von Google Translate oder Körpersprache. So schwer war unsere Bestellung aber auch nicht, denn Okonomiyaki ist unser neu gewonnenes japanisches Lieblingsessen, da kann ja gar nicht so viel schief gehen. Für mich ist nur wichtig, dass kein Tintenfisch drin ist und Beeke‘s sollte vegetarisch sein.
Wie unsere Glückszettel vorausgesagt haben, sollte es dann auch kommen. Ich bekam ein großartiges und wirklich leckeres Okonomiyaki, aber als Beeke fragte, ob sie ihres vegetarisch machen könnten, wurde sie sehr eindeutig in der Küche ausgelacht. Die Kellnerin gab uns dann zu verstehen, dass ein vegetarisches Okonomiyaki kein Okonomiyaki mehr wäre und sie etwas anderes bestellen muss. Sie entschied sich also für simple Nudeln, welche – nach Zubereitung – mit Fleisch erschienen. Die Küche hatte sich wohl keine Gedanken gemacht, dass sie das erste Gericht wegen dem Fleisch nicht genommen hatte, das zweite aber problemlos mit Fleisch essen wollte. Aber zugegebenermaßen ist dies auch nicht die Aufgabe der Küche, man kann es ihnen also wohl kaum vorwerfen. Nachdem ich mir das Fleisch aus den Nudeln rausgepickt hatte, waren wohl auch diese für Beeke sehr lecker, es hat sich also doch gelohnt, dort essen zu gehen.
Und mit diesem Essen war unsere Zeit in Tokyo auch wieder vorbei. Einen Tag habe ich in diesem Artikel vollständig ausgelassen, denn dieser verdient seinen ganz eigenen Artikel – der kommt dann natürlich als nächstes.
Wir fanden Tokyo am Ende wirklich schön, auch wenn wir einstimmig der Meinung sind, hier auf gar keinen Fall leben zu wollen. So bunt und lebhaft das Sightseeing für uns auch war, so haben wir auch einen Eindruck in den Alltag der Anwohner bekommen, der in den meisten Fällen einfach stressig und trostlos wirkte. Wir sind froh, uns nicht mehr täglich in die völlig überfüllten Metros quetschen zu müssen und fahren jetzt erst einmal mit dem Bus zurück in Richtung Osaka, von wo aus es dann auch sehr bald wieder weiter in die nächste neue Stadt geht. Dort wird es dann historisch!
So eine andere Welt… Heftig! Alles zwischen Staunen, Schmunzeln, Kopfschütteln und Genießen.
Ein toller Artikel, der wieder einfach Spaß gemacht hat. Dankeschön!