Unser zweiter Great Walk

Wir haben hier im Blog bestimmt schon das ein oder andere Mal von den Great Walks erzählt. Die etwa Dutzend Wege sollen die schönsten, beeindruckendsten und einzigartigsten Wanderwege des Landes sein. Einen davon (das Tongariro Alpine Crossing) haben wir einige Tage vor der Überfahrt auf die Südinsel gemacht und waren beide sehr begeistert davon. Als wir dann in Nelson den einen sonnigen und regenlosen Tag in den Wettervorhersagen entdeckt haben, wussten wir, dass dieser Tag unsere Chance auf einen zweiten Great Walk sein würde. Denn nur eine Autostunde entfernt von Nelson liegt der Anfang des „Abel Tasman Coastal Walk“. Dieser Wanderweg besteht aus einem langen Pfad, der immer am Wasser entlang führt. Dazu findet man immer wieder kleinere Wege am Rand, die zu kleinen Attraktionen führen. Der Gesamtweg sind etwa 60km, also deutlich zu lang für einen Tagestrip, weshalb es auf dem Weg viele Hütten und Campingplätze für Zelte gibt. Für beides haben wir nicht die richtige Ausrüstung, deshalb mussten wir uns etwas anderes überlegen. Ziemlich schnell haben wir online entdeckt, dass man eine Fähre buchen kann, die einen von verschiedenen Stränden abholen und zurück zum Anfangspunkt bringen kann. Wir haben uns also überlegt wie viel Strecke wir an einem Tag schaffen könnten und haben dann eine der Fähren gebucht.

Am Sonntag vor dieser Wanderung sind wir schon von Nelson nach Mārahau gefahren, das ist der nächstliegende Ort neben dem südlichen Startpunkt des Tracks. Am nächsten Tag, dem 06.10., sind wir morgens um sieben losgefahren, haben am Parkplatz neben dem Anfang des Abel Tasman Tracks gefrühstückt und sind dann um acht Uhr losgelaufen. Am Anfang haben wir nur eine ältere Dame getroffen, die mit ihrem großen Wanderrucksack deutlich mehr zu schleppen hatte, als wir mit unseren kleinen Tagesrucksäcken. Von diesen großen Wanderungen nur kleine Abschnitte zu laufen hat durchaus auch seine Vorteile!

Ausnahmsweise waren die Wettervorhersagen tatsächlich richtig und schon am frühen Morgen hatten wir Sonnenschein und nur wenige Wolken am Himmel. Die ersten paar hundert Meter sind wir auf einem Holzsteg über Salzwiesen und kleine Tümpel gelaufen und konnten rechts neben uns immer das Meer sehen.

Beginn des Abel Tasman Tracks

Nach kurzer Zeit ist der Wanderweg vor uns jedoch in einem Dickicht aus Büschen und kleinen Bäumen verschwunden und wir konnten den Ozean von dort an nur noch hin und wieder durch die dichten Äste durchblitzen sehen. Da wir trotzdem immer weiter an der Küste entlang liefen, hatten wir auf der gesamten Wanderung kaum Steigung und konnten so ganz entspannt und ohne große Anstrengungen dem Wanderweg folgen.

So sind wir immer weiter durch den angenehm kühlen Frühlingswald gelaufen und hatten zwischendurch wunderschöne Ausblicke auf den Strand unter oder neben uns. Wir waren ziemlich gut in der Zeit und haben deshalb um neun direkt schon die erste Snackpause gemacht. Dafür haben wir uns eine Bank direkt am Strand ausgesucht und konnten die warmen Sonnenstrahlen genießen. Dort haben wir sehr interessierte Blicke von Möwen und Wekas abbekommen. Wekas sind kleine braune flugunfähige Vögel, die typisch für Neuseeland sind. Sie sind sehr neugierig und haben (zumindest unserer Erfahrung nach) keine Angst vor Menschen. Bei unserem Frühstückstisch waren jedoch weder Wekas noch Möwen erfolgreich, da müssen sie sich etwas anderes suchen!

Frühstück am Strand mit Vogelbesuch

Beim zweiten Frühstück (eine wirklich großartige Tradition der Hobbits) und auch beim Fotografieren der vielen Vögel um uns herum haben wir uns viel Zeit gelassen und sind erst gegen Viertel nach zehn weiter gewandert. Die Landschaft hat sich den ganzen Tag über nicht viel verändert und ich habe mich in dem Wald sehr schnell wohl gefühlt.

Wir haben weiterhin kleine Abstecher gemacht, um Aussichtspunkte oder die vielen weißen Sandstrände mit türkisfarbenem Wasser zu sehen. Die Küste bestand aus unzähligen kleinen Buchten und viele davon waren als Campingplätze ausgezeichnet. Mit der richtigen Ausrüstung hätte man dort also direkt auf dem Strand übernachten können, das stelle ich mir sehr schön vor! Ein einziges Hindernis sind dafür die vielen Sandfliegen und anderen Stech-Viecher, die einem wirklich das Leben schwer machen können. Wir haben uns deshalb nicht zu lange an den Stränden aufgehalten, sondern sind lieber schnell weiter durch den Wald gelaufen.

Hier könnte man Campen… 😍

Ich kann nicht genau sagen, wann uns unser Fehler aufgefallen ist. Vermutlich in dem Moment, als wir das erste offizielle Schild mit den kommenden Kilometerständen und dazu gehörigen Zeiten entdeckt haben. Da ist uns nämlich langsam bewusst geworden, dass wir uns ziemlich überschätzt haben. Denn die Kilometerstände, die dort auf dem Schild standen, haben sich deutlich von denen unterschieden, die wir auf Google Maps gesehen haben. Nach einem Abgleich war uns klar, dass wir unseren Zielstrand, von dem uns das Boot abholen sollte, vermutlich nur schwer erreichen würden. Denn unsere gebuchte Fähre fuhr das letzte Mal um 16 Uhr und das war bereits in wenigen Stunden. Normalerweise hätte ich das Unternehmen einfach angerufen und darum gebeten, dass sie uns an einem anderen ihrer Anlegepunkte abholen könnten. Aber wir hatten dort auf dem schmalen Wanderweg nur umgeben von Bäumen und weißen Stränden leider gar keinen Empfang.

Also hieß es für uns von da an: Tempo anziehen und hoffen, dass wir es doch noch zu dem gebuchten, nördlicheren Strand schaffen. Ich wollte mich nicht zu sehr stressen, immerhin ist der Track für seine Schönheit bekannt, aber bei der geringen Steigung konnten wir das höhere Tempo zum Glück recht gut umsetzen. Ein weiteres Problem für unsere Zeitplanung waren die Gezeiten. Denn ein Teil des Weges verläuft bei Flut direkt durch das Meer und ist deshalb nur bei Ebbe begehbar. Bei hohem Wasserstand gibt es dafür eine Alternativroute, die jedoch einige Zeit länger dauert. Eigentlich hatten wir die Zeit nicht, aber es blieb uns nichts anderes übrig als den längeren Weg zu nehmen, denn das Wasser würde sich erst am späten Abend zurückziehen.

Eine weitere Stunde später, gegen 13 Uhr, standen wir am Rand eines kleinen Flusses, der neben uns ins Meer floss. Leider gab es an der Mündung keine Brücke, weshalb wir ein ganzes Stück landeinwärts laufen mussten, um ihn zu überqueren. Da wir den berühmten Weg über den Meeresboden schon nicht gehen konnten, haben wir uns spontan dazu entschlossen wenigstens eine kleine Strecke durch das Flusswasser zu laufen. Wir haben uns also eine flache Stelle ausgesucht, haben Schuhe und Socken ausgezogen und sind durch den Fluss auf die andere Seite gewatet. Die „flache“ Stelle war doch etwas tiefer, als ich es vermutet hatte, weshalb meine Hosenbeine doch den einen oder anderen Schwall Wasser abbekommen haben. Bei der starken Sonne war das jedoch gar nicht so schlimm und wir hatten unsere kleine Fluss-Überquerung schnell hinter uns gebracht. Im Nachhinein muss ich wohl sagen, dass der Weg außen herum über die vorgesehene Brücke vermutlich ähnlich lange gedauert hätte, aber so hat auf jeden Fall mehr Spaß gemacht!

Unsere kleine Flussüberquerung

Mittlerweile waren wir uns leider sicher, dass wir es auf keinen Fall zu der weiter entfernten Bucht schaffen würden und wir deshalb einfach versuchen mussten, uns bei dem anderen Strand abholen zu lassen. Nachdem wir diese Entscheidung getroffen hatten, haben wir auch wieder angefangen die kleinen Umwege zu nehmen und uns alle Sehenswürdigkeiten anzusehen, die nicht direkt auf dem Weg lagen.

Eine dieser Sehenswürdigkeiten war „Cleopatras Pool“. Der Fluss, den wir mit hochgekrempelten Hosenbeinen überquert hatten, kam direkt aus dem Wald und floss dort mehrere kleine Wasserfälle hinunter. Wir sind einem kleinen Weg flussaufwärts gefolgt, um diese zu sehen. Vor Ort angekommen, haben wir mehrere große Felsen gesehen, die vom Fluss überschwemmt waren. Durch die Wasserfälle waren tiefe Kuhlen in das glatt gespülte Gestein gefräst worden, in denen sich das Wasser sammelte, bevor es auf der anderen Seite weiter floss. Durch diese kleinen Teiche hat der Ort offenbar seinen Namen bekommen, obwohl Cleopatra selbst nie in ihnen gebadet hat. Ich habe erst mit dem Gedanken gespielt dort baden zu gehen, aber die Temperatur des Wassers und die Unsicherheit über die Zeit, die wir noch hatten, haben mich davon abgehalten. Dafür haben sich die Felsen großartig zum Klettern angeboten, denn es ragten mehrere große Steine aus dem Wasser, mit deren Hilfe ich ein Stückchen den Flussverlauf aufwärts klettern konnte. Wir haben dort eine weiter Essenspause gemacht und sind dann um 14 Uhr weiter gewandert.

Klettern in Cleopatras Pool

Nach wenigen Metern sind wir bei der Hängebrücke angekommen, über die wir den Fluss auch hätten überqueren können. Wenn wir nicht für Cleopatras Pool umgedreht wären, dann hätten wir diese Brücke ganz verpasst! Zum Glück haben wir uns doch noch für den kleinen Abstecher entschieden und konnten so den Fluss noch einmal auf der Brücke überqueren – einfach nur so zum Spaß.

Hübsche Hängebrücke

Anschließend sind wir weiter zur nächsten Bucht gelaufen und haben gehofft, dass wir dort abgeholt werden könnten. Tatsächlich hatten wir dort endlich wieder Empfang (wenn auch sehr, sehr schlechten) und konnten so auf der Webseite überprüfen, dass die Fährgesellschaft diesen Strand leider nicht ansteuerte. Wir hatten nur noch eine Stunde Zeit, bis wir auf dem Boot sein sollten und hatten nur zwei Optionen. 1: Wir laufen das deutlich kleinere Stück zurück nach Süden, wo wir aber nicht sicher sind, ob wir abgeholt werden können. Oder 2: Wir versuchen in einer Stunde nach Norden zu laufen und hoffen darauf, dass wir deutlich schneller sind, als die Schilder es ansagen und vertrauen darauf, dass unser Wassertaxi auf uns wartet.

Im Endeffekt mussten wir keine der Optionen wirklich wahrnehmen. Denn nach dem fünften Versuch über einen Anruf die Fährgesellschaft zu erreichen, ist mein Anruf tatsächlich durch gekommen. In möglichst wenigen Sätzen habe ich der Frau auf der anderen Seite unsere Lage erklärt und sie hat mir versichert, dass wir auch an dem südlichen Strand abgeholt werden können. Was ein Glück! Alternativ hätten wir am späten Nachmittag die über 20km wieder zurück laufen müssen und darauf hatten meine Beine langsam wirklich keine Lust mehr… Durch diesen einen Anruf war unsere letzte Stunde deutlich entspannter und wir konnten uns wieder auf den Rückweg machen.

Dabei konnten wir – entgegen jeder Erwartung – tatsächlich den kürzeren Weg über den Meeresboden nehmen. Ich verstehe bis heute nicht, warum die Ebbe so viel früher da war, als es auf allen Internetseiten stand, aber in dem Moment habe ich mich einfach darüber gefreut dieses Highlight doch noch machen zu können. Wir haben also wieder unsere Schuhe ausgezogen und sind barfuß durch die matschige Bucht gelaufen. Statt den 4.5 Kilometern außen herum lag nur ein einziger Kilometer vor uns, um auf die andere Seite der Bucht zu gelangen. Über uns strahlte die Sonne und wir waren umgeben von der schönsten Küstenlandschaft, ein wirklich perfekter Wanderweg! Damit die Wanderer:innen auch den richtigen Ort finden würden, an dem die Buchtdurchquerung auf den höher gelegenen Wanderweg treffen sollte, war die Strecke mit großen orangenen Stäben gekennzeichnet, die alle paar Meter im Boden steckten. Wir hatten nun gar keinen Zeitstress mehr und konnten den besonderen Weg mit den vielen Muscheln unter unseren Füßen voll und ganz genießen. Immer wieder gab es auch kleine Wasserlachen und am Ende der Überquerung waren unsere Füße von einer dicken Matschschicht bedeckt.

Die große Buchtdurchquerung

Eine halbe Stunde vor Abfahrt unseres Taxis sind wir dann endlich am richtigen Strand angekommen und konnten noch eine kurze Weile dort entspannen. Ich habe mir spontan meinen Bikini angezogen und bin doch noch in das (immer noch ziemlich kalte) Wasser gerannt. Die Erfrischung hat nach der langen Wanderung wirklich gut getan und auch wenn ich nicht viel Zeit hatte, war ich sehr glücklich, an diesem traumhaft schönen Bilderbuch-Strand einmal schwimmen gehen zu können.

Um pünktlich vier Uhr nachmittags haben wir und etwa acht andere Menschen eine Schwimmweste in die Hand gedrückt bekommen und wurden auf ein kleines Motorboot gesetzt. Ich hatte ein viel größeres Schiff erwartet, das wir beim Wandern schon an verschiedenen Buchten anlegen sehen haben, nicht so ein kleines Speedboot. Ich werde mich aber ganz sicher nicht beschweren, denn sobald wir die Bucht hinter uns gelassen haben, sind wir geradezu über das Wasser gerast und sind innerhalb weniger Minuten den gesamten Weg unserer Tageswanderung auf dem Wasser zurück gefahren. Es war richtig cool die verschiedenen Buchten und Aussichtspunkte wieder zu entdecken, an denen wir noch vor wenigen Stunden selbst vorbeigekommen waren.

Mit dem Schnellboot zurück in die Stadt

Nach zwanzig Minuten waren wir wieder in Mārahau angekommen, wo wir am Morgen los gelaufen waren. Durch die Ebbe war das Wasser ein ganzes Stück von der Küste entfernt und ich befürchtete schon, dass wir die ganze Strecke würden laufen müssen. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Trecker gemacht! Von unseren Plätzen ganz hinten im Boot habe ich ihn erst nicht gesehen, aber am Strand, genau dort wo das Wasser aufhörte, stand ein kleiner Traktor. Er hatte einen großen Bootsanhänger angekoppelt, der vollständig im Wasser lag. Mit unserem kleinen Boot sind wir einfach auf diesen Anhänger rauf gefahren, unser Captain hat seinen Platz gewechselt und den Trecker mitsamt Anhänger und Boot darauf im Schlepptau auf eine Rampe zugesteuert. Wenige Minuten später fuhren wir mit diesem Gefährt auf einer normalen Straße zu einem großen Parkplatz. Es hat sich wirklich sehr lustig angefühlt auf einem Boot durch den normalen Straßenverkehr zu fahren und auch einige Tourist:innen auf den Bürgersteigen haben uns sehr amüsiert beobachtet.

Auf dem Parkplatz angekommen haben wir uns in einen Van gesetzt und wurden dann sogar noch zu dem Parkplatz am Anfang des Tracks, direkt zu unserem Auto, gefahren. Wir mussten an diesem Tag keinen einzigen Meter mehr gehen und das habe ich auch sehr genossen!

Dieser Great Walk war völlig anders als das Tongariro Alpine Crossing, was natürlich sehr für die Diversität der Great Walks spricht. Beide haben mich auf ihre ganz eigene Art verzaubert und ich bin sehr froh, dass wir diesen einen sonnigen Tag inmitten all des Regens für so eine tolle Wanderung genutzt haben. Gerade die Buchtdurchquerung hat so viel Spaß gemacht und ich freue mich schon auf all die anderen Wanderungen, die in den nächsten zwei Monaten noch kommen werden!