Wenn der Eindruck täuscht…
Lissabon – eine Stadt mit irgendetwas zwischen 500.000 und 5.000.000 Einwohnern – die Hauptstadt von Portugal – und das Touristenziel Nummer eins.
Doch zuerst zu letztem Samstag: Mein Bus ging von Lagos nach Lissabon um 11 Uhr. Abgefahren ist er auch sehr pünktlich, das war überhaupt kein Problem. Meine Sitznachbarin für die Fahrt war Julia, aus Polen, mit welcher ich mich zum Glück die meiste Zeit über super unterhalten konnte, denn aus den geplanten 3 Stunden und 45 Minuten Fahrtzeit wurde leider nichts. Nicht nur hat uns der Umweg über Albufeira, welchen der Fahrer aus irgendeinem Grund eingeschlagen hatte, ca. eine Stunde extra gekostet, sondern nach ungefähr der Hälfte der Fahrt, begann der Bus komische Geräusche zu machen. Wir wendeten also, wie man es als Reisebus so tut, mitten auf der Schnellstraße, um die letzte Ausfahrt in ein nahegelegenes Dorf zu nehmen. Dort durften wir dann nochmal eine Stunde warten, bis wir von einem zweiten Reisebus abgeholt werden. Im Endeffekt betrug die gesamte Fahrtzeit, dank eines weiteren Staus in dem wir feststeckten, knapp über sieben Stunden. Und wie bekannt ist, sind Reisebusse, ähnlich wie Flugzeuge, nicht ausgelegt für Menschen in meiner Größe. Klar, es geht noch viel schlimmer, aber alleine mit meinen 1,93m wurde es dann nach einigen Stunden schon ungemütlich.
Naja, die Fahrt war überstanden, das Hostel gefunden und ich war motiviert, Lissabon zu sehen. Am nächsten Tag jedenfalls. Doch nachdem ich entsprechend am Sonntag etwas verschlafen habe (unter Umständen bin ich erst um 14:30 Uhr aufgewacht), wusste ich gar nicht, was ich eigentlich in dieser so großartig angepriesenen Stadt sollte. Alles, was ich online finden konnte, waren Berichte über das großartige Essen, die Märkte und Kirchen und natürlich die Altstadt. So verbrachte ich zwei volle Tage damit, ziellos durch Lissabon zu wandern und mir selbst einen Eindruck zu verschaffen. Immerhin habe ich hier niemanden, der mir in irgendeiner Form vorschreiben könnte, wann ich wo zu sein habe.

Nun zu einer wahrscheinlich etwas kontroversen Meinung:
Ich finde Lissabon nicht so schön, wie es dargestellt wird. Ich finde, Lissabon ist eine reine Touristenstadt. Ich finde, Lissabon ein Opfer des Massentourismus und leidet auch darunter.
Natürlich muss sich jeder diese Meinung selbst bilden. Ein anderer mag sagen, die Aussichtspunkte hier sind großartig, das Nachtleben ist voll und lebhaft, die Restaurants sind einzigartig und die Altstadt ist etwas, das man auf jeden Fall einmal gesehen haben muss. Und dem stimme ich voll zu! Alles davon ist richtig. Aber.
Zum einen bin ich aktuell ganz alleine unterwegs, mein Hostel bietet sich leider so gar nicht an, um jemanden kennenzulernen. Das heißt für mich, alleine in ein Restaurant oder eine Bar setzen, macht lange nicht so viel Spaß, wie mit jemanden zusammen. Dazu liegt mein Hostel etwas außerhalb, von dem ungefähren Zentrum aus ist der Fußweg zwischen einer und eineinhalb Stunden und da ich sowieso gerne laufe, bin ich diesen Weg schon ein paar Mal gegangen. Kommt man aus Alfarma (?), dem bekannten Altstadtgebiet, etwas raus, beginnt die Stadt, sich zu verändern. An jeder Ecke liegt Müll, seien es Flaschen und Papiertüten am nächsten Baum oder ganze Ladungen an Bauschutt und Altmöbeln. Viele Häuser sind verlassen, halb eingestürzt oder die Fassade pellt sich ab. Immer mehr Menschen leben deutlich in der Armut und wollen sichtlich nur ihre Ruhe von den Touristen.
In der bekannteren Innenstadt sind diese Probleme zwar weniger ersichtlich, dafür spiegeln sich hier die Folgen des Massentourismus wieder. Die Straßen sind voll mit unzählbaren Tuk-Tuks, Sightseeing Bussen, Taxen und Rundfahrt-Straßenbahnen – der Verkehr ist entsprechend Chaos. Innerhalb von vier Stunden wurde ich am Montag vier mal nach Geld gefragt, zwei mal ob ich Gras kaufen möchte und einmal hat ein Verkäufer versucht, mir ein Armband, welches er mir schnell angelegt hatte, zu verkaufen, indem er mich dazu drängt ihm Geld zu geben, da ich es ja schon angezogen habe. Außerdem habe ich einige Obdachlose und Bettler am Straßenrand sitzen sehen, diese aber nicht mitgezählt. All diese Dinge sind leicht zu ignorieren, wenn man nur durch die malerischen Gassen geht und die beeindruckenden Bauwerke besichtigt. Ich will auch nicht sagen, dass die Touristen an irgendetwas Schuld sind, was in der Stadt passiert. Ein Reise hierher kann es immernoch wert sein, wenn man weiß, worauf man sich einstellen kann und seinen Reiseplan entsprechend anpasst. Jedoch glaube ich nicht, dass dieser Weg der Stadt auf lange Sicht gut tut.
Einen tollen Blickwinkel bietet auch dieser Artikel, den ich zufällig gestern gefunden habe:
Dieses Thema ist etwas, was mich die letzten Tage schon etwas beschäftigt, da Lissabon mich auf eine völlig andere Art und Weise überrascht,als ich es mir vorgestellt hatte. Was ich damit jedoch auf keinen Fall sagen möchte, ist, dass ich hier eine schlechte Zeit habe. Mir macht es noch immer total Spaß, diese Stadt auf dem Fußweg zu erkunden und meine eigene Meinung zu bilden, die man vielleicht nicht immer so in den sozialen Medien findet. Aber genau deswegen soll sich hiervon bitte auch niemand beeinflussen lassen, denn es ist immernoch meine eigene Meinung und nicht „die Wahrheit“.

So. Das Thema werde ich erstmal ruhen lassen, denn für mich geht es am Donnerstag sowieso bereits weiter, in die Berge. Doch dazu mehr im nächsten Artikel. Jetzt gerade sitze ich nämlich in Cascais, einer kleineren Stadt, etwas westlich von Lissabon. Mir wurde empfohlen, einen Tagestrip hierher zu machen und ich muss sagen: Mir gefällt es hier so viel besser als in Lissabon. Ich habe bereits, nachdem ich auf der Zugfahrt hierher eingeschlafen und fast wieder zurück gefahren bin, einen wirklich schönen Hafen gesehen und mir in einem lokalen Touristenshop eine neue Sonnenbrille kaufen können, nachdem meine kaputt gegangen ist und das für den halben Preis, den ich in Lissabon gezahlt hätte. Etwas weiter den Weg am Wasser längs, habe ich dann eine Brücke gefunden, welche über eine Fluss geht, welcher wiederum in das Meer mündet. Das Wasser dort, war wortwörtlich durchsichtig und entsprechend waren natürlich viele Menschen dort, die das Wetter ausgenutzt und gebadet haben. Von der ca. fünf Meter hohen Brücke sprangen auch regelmäßig einige Jungs runter, was tatsächlich sehr beeindruckend aussah.

Noch etwas weiter am Wasser lang, kam ich dann zu einem kleinen Aussichtspunkt, ab vom Weg. Und hier sitze ich nun: Mit Blick auf die Klippen, das endlos aussehende Meer und in der Ferne erkennt man noch Lissabon. Ein paar Meter entfernt steht ein Straßenmusiker mit seiner Gitarre und so genieße ich den Tag hier mit einer großartigen Aussicht und Live-Musik, fernab von der Fülle und Hektik der Straßen Lissabons. Morgen habe ich noch einen weiteren Tag hier, von dem ich noch nicht weiß, was ich vorhabe, doch das sehe ich dann spontan.
Jetzt hoffe ich erstmal, dass ich im Zug nicht wieder einschlafe und vorher nicht vollständig in der Sonne verbrenne.